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Linkshänder-Geige
Franz Slaboch

Violine

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Franz Slaboch, left-handed violinist

Foto: Martin Köppl

Franz Slaboch, geb. 1959 in Nürnberg, begann im Alter von fünfzehn Jahren das Geigenspiel, war Mitglied im Landesjugendorchester Bayern und studierte bei Prof. Otto Büchner an der Musikhochschule München.

Seit 1985 ist er festes Mitglied der zweiten Violinen bei den Bad Reichenhaller Philharmonikern. Er war jahrelang Mitglied diverser Quartette und Kammermusikformationen.

Derzeit ist er verstärkt auch als Gitarrist zu erleben und tritt u. a. regelmäßig mit der Sängerin Maria Bodensteiner auf.

Linkshänder-Geige
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Im Interview mit Sophia Klinke von Linksgespielt

Gespräch vom 13. November 2021

Wie beschreibst du deine Händigkeit?

Ich bin stark ausgeprägter Linkshänder und durfte das von meinem Elternhaus her frei ausleben. Leider wurde ich aber in der Schule zum Schreiben mit rechts gezwungen.

Wie war dein Beginn auf der Geige und generell dein Zugang zur Musik?

Mein Vater hatte aus der Tschechei Geigen, die brach auf dem Dachboden lagen. Früher hatte er immer zu Weihnachten gespielt – er konnte Weihnachtslieder spielen, aber mehr eigentlich nicht.
Das war mein erster Kontakt mit der Geige, aber selbst angefangen zu spielen habe ich spät, erst mit fünfzehn Jahren.

Zwei Dinge waren dafür besonders ausschlaggebend gewesen: Das eine war Leonard Cohens »So Long, Marianne« – einfach ein absolut cooles Lied.  Da sind so wunderbare Geigen drin. Die haben mich fasziniert. Ich war gar kein Klassiker, eigentlich.
Mich hatten Leonard Cohen und alles mögliche aus dieser Zeit beeindruckt, da stand ich einfach drauf. Und so dachte ich, das muss ich auch ausprobieren. Ich habe ja vorher Gitarre gespielt – ein bisschen Akkorde, noch nicht klassisch, sondern einfach so wie man das bei »Blowing in the wind« macht. In der Klasse haben alle mitgesungen. Ich war da immer der Music-Man – der Wine-Man und der Music-Man... :)

»So long Marianne« war also das eine Ausschlaggebende und von meiner Schwester hatte ich eine Platte geschenkt bekommen: Menuhin und Ravi Shankar »West meets East«.
Diese Platte müsste ich sogar noch irgendwo haben – zwar total verkratzt, aber ich habe sie noch.
Als ich damals diese Musik hörte, stimmte ich meine Gitarre so, dass ihr Klang der einer Sitar ähnelte – mit Bordun und so weiter und spielte auf einer Saite Ragas. Die habe ich auch vor meiner Klasse gespielt und sie waren begeistert. Da dachte ich: »Wow. Das ist ja total super.«
Einmal auf der Klassenfahrt habe ich – wir waren alle schon in den Stockbetten – eine Raga angefangen und ewig lang gespielt... Da waren alle erschüttert von, positiv erschüttert!

Menuhin und Ravi Shankars Platte »West meets East« und Leonard Cohens »So long, Marianne« waren es also, die mich so sehr inspirierten. Da dachte ich mir: »Ich hole mal die Geigen von oben und schau, was ich mit denen anfangen kann.« Weil ich ja schon ein bisschen Gitarre spielen konnte, hatte ich leichteren Zugang. Den Bogen hatte ich natürlich erstmal ganz irgendwie komisch angefasst. :) Aber ich habe Töne herausgebracht und fand das schon irre cool.

Das waren aber Rechtshändergeigen auf dem Dachboden, oder?

Ja, ja, ja. Die habe ich aber immer andersherum genommen und gespielt. Ich hab’ einfach unten die tiefe und oben die hohe Saite gehabt, den Bogen in die linke Hand genommen und so auf ihr gespielt, aber die Geige war ganz konventionell rechtsherum. Mir kam es ja nur auf den Klang an und dass ich irgendetwas ausprobiere.
Ich hatte schon früh Zugang zur Klassik, aber noch nicht so im Allgemeinen. Ein paar Stücke waren mir jedoch damals bereits total wichtig: Die Mondscheinsonate von Beethoven zum Beispiel. Die habe ich mit zehn gespielt. Da hatte meine Mutter mir gezeigt, wie das mit den Griffen geht. Wir haben jeden Tag ein Stück weiter gemacht, bis ich das an ihrem Klassenabend oder wie man das nennt vorspielte. Noten konnte ich da noch nicht lesen. Erst mit fünfzehn habe ich das gelernt.

Deine Mutter war als Klavierlehrerin tätig?

Ja, genau. Klavier- und Gesangslehrerin, aber hauptsächlich Klavier. Klavier bis zum Schluss. Also bis ewig. Bis 60, 65 oder so – keine Ahnung.

Erzähl bitte mehr über deineHerangehensweise auf der Geige.

Ich wollte mit Klängen experimentieren. Es war auch die Zeit, in der ich überlegte, was ich beruflich mal machen möchte.
Dann dachte ich mir: »Jetzt so im Büro zu sitzen, das wäre doch brutal.« Meine Mutter sagte immer, ich solle Lehrer werden: »Mach sicheren Lehrer, da kriegst du dein Gehalt. Da hast du Ferien. Da kannst du in der Zwischenzeit machen, was du willst. Du hast Freiheiten ohne Ende. Mach Lehrer, unbedingt.«
Und ich dachte immer: »Lehrer? Ich weiß nicht. Wenn ich Lehrer wäre und mich als Schüler hätte, das wäre nicht ertragbar. Wenn ich schon die Lehrer so geärgert habe und dann von den Schülern aber einfordern würde, dass sie mich ernst nehmen sollen... Das wäre irgendwie ganz komisch, und so… :) Musik irgendwie... etwas mit Musik, das wäre total cool!«

Und dann war meine Überlegung – das war mit ungefähr fünfzehn Jahren – »Ja, jetzt hast du schon die Geige. Kann man beruflich vielleicht Chancen im Orchester haben.« Und dann habe ich mir gedacht: »Wow. Ja, dann probierst du es mal mit der Geige. Schauen wir einmal, wie weit du kommst.«
Ich habe es meinem Papa gesagt und der war total begeistert: »Mein Sohn, Geige, endlich mal etwas Gescheites!« Er hat mir dann, weiß ich noch, fünf D-Mark geschenkt, weil er so toll fand, dass ich das Geigenspiel beginne.
Damals war es noch nicht so hart wie jetzt. Heute ist es der Wahnsinn, der Konkurrenzkampf ist unglaublich. Das hätte ich heutzutage nicht mehr geschafft – unmöglich.

In der Schule gab es eine externe Musiklehrerin, die ab und zu da war, und zu ihr sagte ich: »Hallo, ich will Geige lernen.« Die hatte mich erst einmal ganz verwundert angeschaut: »Fünfzehn Jahre – und dann auch noch ein Linksgeiger« und so weiter... Aber das war eine ganz Liebe. Mit ihr habe ich eigentlich mehr gequatscht als Unterricht gemacht. :) Und dann bin ich hin und habe erst mal so herum gespielt wie vorher, mit dem linken Arm auf einer konventionellen Rechtsgeige gestrichen. Aber bald sagte die Lehrerin: »Das kann so nicht weitergehen: Spann die Saiten um.«
Also habe ich die Saiten umgespannt und richtig anfangen können mit den ersten Tönen, Etüden, Stücken... und wollte natürlich Gas geben. Denn ich dachte: »Ich bin fünfzehn. Die anderen fangen alle früher an.«
Zu viel Gas hatte ich nicht gegeben, aber schon ein bisschen, auf jeden Fall. Denn eigentlich war das Ziel: »Mensch, ich könnte einen Beruf damit haben.« Das war mein Gedanke. Ich hätte auch so ein bisschen Geige gespielt, aber dass ich es richtig in die Hand genommen habe, so intensiv spielte, war bestimmt mindestens zur Hälfte oder mehr, weil ich dachte »Vielleicht gibt es da eine Chance, mein Leben lang etwas zu machen, was nicht ganz so zermürbend ist, nämlich beruflich Geige spielen zu dürfen.«
Dann kam das Abitur und man konnte erst mal nicht so viel üben. Anschließend war ich beim Militär und dort beim Musikkorps. Die hatten auch ein Streichorchester in Regensburg. Mit meinen Kumpanen übte ich Gehörbildung und so etwas, um mich auf die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule vorzubereiten.
Dann habe ich meine Mutter aber wieder gehört: »Mach Lehrer!« und ich dachte, ich sei nicht gut genug für die Geige, aber dass ich es probieren würde und wer weiß...
Letztendlich machte ich beide Aufnahmeprüfungen: Die für Lehrer und die für Geige. Beides hat geklappt.

Und Geige hast du gemacht.

Genau. Weil ich plötzlich eine Eingebung hatte. Da wusste ich es: »Ich darf nicht Lehrer werden.« Ich wusste es! :) Das war auf einmal klar. Ich hatte früher immer hin und her überlegt, aber während der Prüfung wusste ich schlagartig: »Ich darf nicht Lehrer werden.«
Im Zweifelsfall dachte ich zwar noch, wenn ich auf der Geige nicht so gut sein sollte, dass die mich dann in Lehrer einfach reinstopfen, weil sie denken: »Ist so ein mittelmäßiger Geiger, der sollte lieber Lehrer werden.« Diese Angst hatte ich, dass sie so etwas überlegen könnten.
Und gleichzeitig wusste ich in mir: »Ich strenge mich an und ich will Geige!« Das war plötzlich ganz eindeutig.
Und dann habe ich mich halt durchgewurschtelt erstmal so... Und dann hat die Technik auch wieder irgendwie nicht ganz gestimmt – mein Lehrer war ja nicht so der Techniker, der war mehr auf Ausdruck fokussiert. Da hatte ich dann viele Probleme technischer Art: »Wie macht man das eigentlich?« und so. Das war eine echte Odyssee.
Aber damals beim Militär waren auch Leute aus dem Landesjugendorchester und die haben gesagt: »Komm doch mit ins Landesjugendorchester« und dann wurde ich dort mit neunzehn Jahren Mitglied.
Und später habe ich meinen Abschluss gemacht und immer versucht, ganz gut zu spielen. :)

Welche kuriosen Erlebnisse hattest du schon mit deiner linken Spielweise?

Als ich hier ins Orchester, zu den Bad Reichenhaller Philharmonikern, kam beim Probespiel: Ich glaube, die haben eine Stunde diskutiert, ob sie einen Linkshänder vertragen oder nicht. Das ging ewig. Ansonsten, also ins Orchester, kommen fast täglich Leute und wollen wissen, warum und wieso und wie ich das mache und so weiter. Das ist schon absolut eine Rarität für die.

Jeden Tag kommen noch Leute zu dir?

Naja, jeden Tag ist jetzt übertrieben, aber oft. Die fragen auch andere: »Der Linkshänder, wie macht der das?« und so weiter. Da ist ein reges Interesse. Ich habe gehört, auch in Salzburg oder sonst irgendwo weiter weg heißt es immer: »Bad Reichenhaller Philharmoniker? Das ist doch das Orchester mit dem Linkshänder.« Das ist so ein Markenzeichen. :)

Ja, mir hatte damals eine Geigerin aus dem hr-Sinfonieorchester erzählt: »In Bad Reichenhall gibt es einen, der spielt linksherum.« :)

Ja, ja, ja. Witzig. Genau. Ich wusste, ich bin ein Exot. Doch, jetzt fällt es mir gerade ein: Das Orchester war recht alt, als ich 1985 Mitglied wurde und es waren manchmal ältere Kollegen, Nachkriegsleute, die sich fragten: »Warum spielt der nicht einfach rechtsherum?« oder so etwas. »Was hat das für einen Sinn, so zu spielen? Anders geht es genau so. Man braucht links und rechts« und so weiter.
Das hatte ich mehr um die Ecke mitbekommen oder jemand erzählte, dass das intern nicht von allen ganz akzeptiert oder verstanden wurde.

Heutzutage wird vielleicht auch hinter mir getuschelt – kann durchaus sein, weiß ich nicht. Aber ich kriege es nicht mehr mit und bin jetzt so lange in diesem Orchester: Das nimmt man als gegeben. Und das ist ja, wie gesagt, auch mit ein Markenzeichen des Orchesters. Ich denke nicht, dass da irgendwie noch jemand argwöhnisch oder fast feindlich meiner Spielweise gegenüber aufgestellt ist.

Was ich sehr beeindruckend an deiner Herangehensweise finde: Du fühltest von Anbeginn, dass der Hauptausdruck im Bogenarm, also in deinem Falle als Linkshänder in der linken Hand, liegt.

Ja, das spürte ich, dass das dort fließen muss. Der Bogen trägt den Klang nach außen. Das Vibrato der Greifhand, bei mir also der rechten Hand, ist auch ein Ausdrucksmittel, definitiv! Aber ich denke, dass die Gestaltung des Tones und so... – das macht der Bogen auf der Geige! Das ist Tonmalerei! Die Erzeugung des Tons ist die Seele des Geigenspiels.
Auch bei den Orchesterwerken: Jede Stelle hat ihren Charakter, den ganz eigenen Klang. Und das versuchen wir auszudrücken. Am Klavier kann man auch zu einem gewissen Grad Tonmalerei machen, aber es ist lange nicht so ausgiebig und intensiv wie auf der Geige.

Wie war es, bei der Aufnahmeprüfung in der Musikhochschule München linksherum zu spielen? Erinnerst du diesbezüglich etwas?

Ich weiß da nichts, nein.

Hatt
est du zuvor Kontakt zu deinem Professor oder warst du auf gut Glück zur Aufnahmeprüfung gefahren?

Ja, ich hatte meinem künftigen Lehrer, Prof. Otto Büchner, zuvor vorgespielt. Meine Geigenlehrerin kannte ihn und stellte den Kontakt her.

Siehst du für dich Vorteile darin, ›andersherum‹ zu spielen?

Ich habe deswegen linksherum gespielt, weil ich erst mit fünfzehn angefangen habe, dafür aber die Greifhand schon etwas von der Gitarre her kannte, gleichwohl Gitarren- und Geigengreifhand durchaus ihre Unterschiede haben. Aber eine gewisse Geläufigkeit war aufgrund des Gitarrenspiels schon da und ich dachte: »Wenn ich das jetzt noch ändern würde, also die Greifhand von rechts auf links und zudem gegen mein Gefühl mit dem rechten Arm streichen müsste, dann schaffe ich es nie. Wenn, dann sollte ich schon nützen, was ich bereits kann – die Vorteile, die ich habe.«
Und mit der guten Hoffnung: »Irgendein Orchester wird das schon akzeptieren und mich linksstreichend nehmen. Es ist ja nicht ganz unmöglich. Wenn ich gut spiele, wird das aufgehen.«
Ich hatte auch Leute gefragt, ob es überhaupt Sinn ergäbe auf Probespiele für Orchester zu setzen... – »Also beim Opernorchester müsste der schon reinkommen. Wäre zwar ein bisschen eng, aber unten im Graben sieht man es nicht.« Und ich bin sogar auf der Bühne eines Sinfonieorchester gelandet. :)

Woher hast du deine Instrumente?

Das erste Instrument war von meinem Vater auf dem Dachboden. Bei dieser Geige hatte ich irgendwann die Saiten entsprechend einer Linksgeige umgespannt, aber es fehlten noch der spiegelverkehrte Bassbalken, Stimme und so weiter, um sie zu einer echten Linksgeige zu machen. Daher klang es noch nicht so, wie es sein sollte.

Meine Mutter hatte einen reichen Verehrer, einen Araber, gehabt. Der sagte zu mir, er würde mir eine Geige spendieren. :) Von ihm bekam ich meine erste Linksgeige, die direkt auf links gebaut wurde – in Bubenreuth bei Nürnberg und noch vor dem Studium.

Aber irgendwann merkte ich, dass ich bessere Instrumente haben wollte. Nach diesen habe ich schließlich in Mittenwald geschaut. Aber ich hatte das Problem, dass weder meine Eltern noch die damalige Geigenlehrerin aus dem Gymnasium Kontakte zu irgendwelchen Geigenbauern hatten, zu Linksgeigen schonmal gar nicht.
Daher war ich ganz auf mich allein gestellt und dann ist es ja auch so, dass du als Linksgeiger »normale« Geigen nicht so einfach ausprobieren kannst. Ich hatte das zwar trotzdem mal versucht, aber wenn du die Rechtsgeige linksherum spielst... das klingt ganz anders.
Ein einziges Mal ließ ich mir eine Geige umbauen, aber war danach so enttäuscht, dass ich sie gleich wieder hatte auf rechts zurückbauen lassen – es war nicht das, was ich erwartet hatte.
Kann auch sein, dass das alte Holz es einfach so gewohnt war – also seine Schwingung auf der Rechtsgeige – dass deswegen nach dem Umbau alles anders klang.
Ich wusste nicht, wo ich eine gute Linksgeige herbekommen sollte – gab ja kein Internet, nichts.
Ich bin dann einfach dorthin, wo ich gehört hatte: »Der baut ganz gute Geigen« und hab gesagt: »Hallo, ich will die ungefähr so und so, meine Linksgeige«, also wie sie klingen soll und so weiter, »kannst du mir eine bauen?« :)

Ja, es war total primitiv und ich war für lange Zeit auch leider nie wirklich glücklich geworden mit den Geigen, das muss ich ganz ehrlich sagen. Und auf solchen Geigen hab ich dann ja auch Abschluss gemacht und so weiter...
Zwei Geigen hatte ich insgesamt für mich bauen lassen. Die eine hatte mir ja nicht gefallen, also ging ich zu einem anderen Geigenbauer, dessen für mich gebaute Linksgeige mir aber ebenfalls nicht gefiel. Ich weiß nicht, die haben vielleicht gedacht, ich wär’ so ein Pipigeiger und dass sie mir das schlechteste Holz andrehen können oder sonst irgendwas. :) Ein bisschen verarscht war ich mir schon vorgekommen, irgendwie. Auch im Studium war ich diesbezüglich total auf mich alleine gestellt.

Wann gab es die erste gute Geige für dich?

Es gab die Geige eines Berufsmusikers aus Bremerhaven, der dort im Orchester spielte. Diese Geige fand ich zwar auch nicht ›gut‹, aber die war gut zu spielen! Das war für mich eine neue Erfahrung. Das Instrument sprach an und hatte keine Quitschtöne usw.

In welchem Jahr war das?

Das war in meinem fünften Jahr hier bei den Bad Reichenhaller Philharmonikern. Da erst kam ich zum ersten Mal an eben diese Geige, mit der ich mich halbwegs wohlfühlte.

Und dann kam die Zigeunergeige vor ein paar Jahren über einen Aushilfsgeiger in unserem Orchester. Die war in einem fürchterlichen Zustand: Risse, offen, alles. Es war einfach... es war wie nach dem Krieg. Es war alles, alles, kaputt!
Dann bin ich zu einem Geigenbauer hier in der Nähe gegangen und habe ihn gefragt: »Du, kann man die irgendwie noch retten?«
Zuerst einmal hatte der Geigenbauer Zweifel gehegt, dass diese Geige wirklich original auf links gebaut sei, wie mir zuvor vom Händler gesagt wurde, und ob es sich tatsächlich um eine französische Geige handele, wusste er auch nicht genau. Aber das war mir letztendlich nicht so wichtig, denn auf den Klang kam es mir an. Und bei 1000 Euro kannst du nichts falsch machen – ich habe mich einfach wohlgefühlt auf dieser Geige.
In der Wandelhalle, unserer Konzertrotunde, habe ich das Instrument mit ein paar Leuten ausprobiert und drei sehr gute Geiger haben gesagt: »Die ist um einiges besser als deine Geige aus Bremerhaven.« Und ich hatte auch irgendwie das Gefühl, man könne mit der was machen. Sie klingt ganz anders, einfach feiner. Die andere war ein bisschen büchsig und laut.

Und das ist jetzt deine Hauptgeige?

Das ist meine Hauptgeige, ja ja.

Seit wann spielst du auf ihr?

Weiß ich gar nicht. Zehn Jahre, fünf Jahre? Ich weiß nicht, wie lange das her ist. Ich habe kein so gutes Zeitgefühl.

Du spielst auch linksherum Gitarre, allerdings auf einer Rechtshändergitarre, deren Saiten du nicht umgespannt hast. Wie kommt das?

Zuerst hab ich mir damals eine kleine Gitarre selber gebaut. Das hatte mich einfach gereizt – es ist nichts Besonderes, wirklich nichts Besonderes!
Irgendwann habe ich eine Richtige gekriegt – da hatte ich gerade Scharlach und fürchterlich viel Zeit. Weil damals, wenn man Scharlach hatte, man vier Monate aus dem Gefecht war. Ich habe Medizin gekriegt, war viel im Bett und die ganze Zeit daheim. In dieser Zeit habe ich die Gitarre bekommen. Und da habe ich mir natürlich die ersten Akkorde E, A, D, G einverleibt und ein paar Lieder gespielt.

Hatte es sich für dich nicht ein bisschen ›gegen das Gefühl‹ angefühlt, auf diese Art zu spielen? Also den Bass auf der letzten Saite mit Ring- oder gar kleinem Finger zu zupfen? Normalerweise wird der Bass ja auf der obersten Saite mit dem Daumen gespielt.

Das ist für mich alles selbstverständlich, weil ich es nicht anders kenne.
Hab mir da nie groß Gedanken drüber gemacht und kam nicht auf die Idee, die Saiten umzuspannen.
Bei der Geige hingegen ist es ja wirklich lebensnotwendig, sie irgendwann entsprechend umzubesaiten und auch innen umbauen zu lassen. Auf der Gitarre habe ich mir diese Art zu spielen erst die letzten zehn Jahre richtig beigebracht, früher spielte ich noch nicht so regelmäßig wie jetzt. Und mit Plektrum ist es wirklich Wurst, wie herum die Saiten gespannt sind.


Vielen Dank, lieber Franz, für dieses sehr schöne Gespräch!

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Radiosendung mit Franz Slaboch:

»Linksgespielt« von Blanka Weber, Deutschlandfunk 25.07.2023 (externer Link)

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