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Jan Grimm

Flöte

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Jan Grimm, Flöte

Foto: Ensemble Diversité

Jan Grimm wurde in Zürich geboren und spielt seit seinem neunten Lebensjahr intensiv Querflöte.

Er gewann etliche nationale Musikwettbewerbe mit ersten Preisen, in solistischen wie auch kammermusikalischen Kategorien. Er reiste mit Orchestern auf zahlreichen Tourneen durch Japan, Südkorea, Deutschland, England, Spanien und Italien. Neben der Klassik ist Jan auch an den Welten des Jazz und des Tangos interessiert. Zusätzlich zur herkömmlichen Querflöte spielt er eine einzigartige linksseitige Querflöte.

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Im Interview mit Linksgespielt

Gespräch vom 20.09.2021

Wie beschreibst du deine Händigkeit?

Ich bin totaler Linkshänder. Wobei, wo ich mir nie sicher war, ist zum Beispiel beim Werfen. Da weiß ich nie, ob ich den Ball rechts oder links werfen soll, ich treffe das Ziel mit beiden Händen nicht. :) Insgesamt ist es bei mir ein bisschen gemixt mit den Körperseiten.

Wann hast du umgelernt und warum?

Das war 2011. Für mein Bachelorprojekt. – Na gut, das ist eigentlich nicht das Warum. Das Warum war, weil ich neugierig war, wie es sich anfühlt, alles zu kennen, aber nichts zu können; also das Wissen zu haben, aber nicht das Können. Wir hatten einen Kurs in Körperbildung im Studium, wo es darum ging, wie schädlich es ist, Instrumente einseitig zu halten. Da habe ich mich zum ersten Mal gefragt: 'Warum gibt es eigentlich keine Querflöte nach links?' Das gab es zu dieser Zeit nämlich noch gar nicht.

Ich habe dann mehrere Querflötenbauer angefragt, aber die großen Firmen wollten es alle nicht machen, weil es für sie ein riesen Mehraufwand war. Mein Flötenreparateur kannte aber einen kleinen Flötenbauer in Frankreich, der sagte, er würde es machen. Er hatte auch schon Erfahrung damit.

Ich brauchte damals eh eine neue Querflöte und dachte: 'Warum dann nicht nach links?' Also habe ich das verknüpft. Es hat um die 20.000 Euro gekostet, die ich erst ansparen musste. Ich ging dann in die Militärmusik – wir in der Schweiz müssen ja ins Militär – und ging nebenbei noch jeden Sonntag arbeiten, um mir mit Militärlohn plus Nebenjob das Instrument leisten zu können. 

Du warst dir so sicher, dass du auch nach links spielen könntest, dass du dir ein so teures Instrument extra nach links hast bauen lassen?

Es sprach für mich nichts dagegen. Nur das Umfeld, das war das Schwierigste. Denn wie immer, wenn man was Innovatives machen möchte, kommen sehr viele Kritiker und sagen: 'Bist du dir da sicher? Wirst du da nicht verwirrt? Was ist, wenn du dir die Hand im Auto einklemmst?' (Da kann ich ja auch nicht mehr nach rechts spielen...) Aber solche Kommentare kamen. Es gab auch Leute, die sagten: 'Coole Idee, typisch Jan!' Aber die haben auch nicht geglaubt, dass ich das wirklich mache. Mein Lehrer hat bis zum Schluss gedacht, das ist eben so eine Idee, und als ich plötzlich mit der Flöte in den Unterricht kam, war er total perplex. :)

Du hast die Flöte dann in Frankreich abgeholt…

Ich ging zwei-, dreimal nach Orléans und habe sie dann abgeholt. Zuerst dachte ich, er hat sie falsch gebaut. Es war so ein komisches Bild, plötzlich eine Linksflöte zu sehen, wenn man noch nie eine gesehen hat. Aber es war schon richtig – nur eben andersrum. 

Bevor ich sie bekommen habe, hatte ich schon ein bisschen innerlich trainiert, umzudenken. An der linken Flöte wird man plötzlich bewusst, was man beim Spielen eigentlich macht; ich war vorher überhaupt nicht bewusst. Und man wird viel analytischer. Vielleicht war es auch das Alter, ich war 22. Da lernt man vielleicht auch analytischer, als wenn man Kind ist. 

Man hat anfangs keine Ahnung, wie die ganzen Griffe nach links gehen. Es ist nicht so schwierig, aber es gibt in der dritten Oktave so Griffe, die man sich schon sehr gut vorstellen muss. 

Es gibt auch gewisse Finger, die dann notorisch falsch gedrückt haben. Auf dem rechten Instrument hat man den rechten kleinen Finger fast immer gedrückt. Den linken kleinen Finger darf man aber nicht drücken, sonst kommt gar kein Ton mehr. Und jetzt beim Linksspielen – kann man sich vorstellen – da habe ich immer diesen Finger gedrückt, wo kein Ton mehr rauskommt. Es war seltsam, plötzlich den Finger zu entspannen, der sonst immer in Spannung war. Insgesamt hatten die Hände sich schon so daran gewöhnt, auf die rechte Seite zu spielen, dass die Elastizität da eine ganz andere war. Ich konnte bei gewissen Fingern die Hand mehr stretchen, sie war von den Abständen her auf die rechte Seite geeicht.

Warst du dann zunächst schockiert und dachtest, es geht doch nicht, als du die linke Flöte zum ersten Mal wirklich in der Hand hattest?

Nein, gar nicht schockiert. Ich war total in Ekstase, weil ich mir das so lange gewünscht hatte. Es gab auch noch zwei, drei Unfälle, bevor das Instrument bei mir war. Irgendwann ist etwas kaputtgegangen und sie mussten das Ganze nochmal machen. Es hat sich verzögert, es wurde teurer, das war ein Riesendrama für mich. Als ich die Flöte dann bei mir hatte und spielte, war es ein sehr inniges Gefühl. Als ob mir die ganze Welt gehört. Denn ich wusste: Diesen Moment, den ich gerade erlebe, den hat kein anderer Flötist. 

Heute haben sie’s natürlich, weil es preiswerte Linksflöten aus Taiwan gibt, aber damals war es schon sehr speziell. 

Wie war dann das Neulernen auf der linken Flöte?

Anfangs konnte ich nicht lange spielen. Selbst, wenn ich mir lange überlegt habe, wie man etwas spielt. Die Finger waren nicht die Herausforderung. Das Schwierigste war die Balance, dass das Instrument nicht runterfällt. Ich ermüdete relativ schnell, auch von der Kraft in den Armen her. Beim Bachelorkonzert, was ich ein halbes Jahr später hatte, wurde ich plötzlich so müde nach links, dass mir fast die Flöte runtergefallen wäre – wegen der Balance, ich konnte sie nicht mehr halten. Da habe ich beim dritten Satz wirklich sehr gelitten. Es war ein totaler Marathon und so speziell, dass ich das spielen konnte. Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe… mit viel Motivation und Herzblut.

Aber zum Beispiel beim Unterrichten kannst du dich beim Linksspielen viel besser in die Schüler hineinversetzen. Auch heutzutage verstehe ich sie vermutlich um einiges besser, als einer, der nur rechts spielt. Weil ich alles nochmal mit Bewusstsein erlernen durfte, verstehe ich, wenn etwas nicht ganz so schnell klappt.

 

Bei gewissen Griffkombinationen, zum Beispiel vom c zum d, da gibt es eine Art Oktavenwechsel, den wir mit allen Fingern machen. Das nach links zu synchronisieren, dauerte eine ganze Zeit lang und ist auch heute noch schwierig. Ich spiele nie so gut nach links wie nach rechts, weil ich einfach zu wenig Konzertsituationen und zu wenig Anwendemöglichkeiten habe. 

Spielst du jetzt immer noch diese eine Linksflöte oder hast du noch weitere?

Ich habe noch eine zweite gekauft, so eine günstige Linksflöte. Qualitativ ist die natürlich nichts wert. Aber ich habe sie bestellt, weil ich schauen wollte, wie es sich auf einer anderen als meiner eigenen Flöte anfühlt und auch, dass ich nicht immer meine gute Flöte anderen zum Probieren geben muss. Bei der normalen Querflöte ginge das, aber nach links reagieren die Leute so seltsam, weil sie da nicht mehr in ihrem gewohnten Umfeld sind. Da kann so viel passieren, es kann irgendwo anschlagen, sie können es fallenlassen… Das war mir einfach zu heikel. Diese aus Taiwan kann ich auch mal Schülern geben.

Hast du denn Schüler, die nach links spielen?

Nein, das würde ich auch nicht anraten, weil der Markt da wirklich schwierig ist. Als Lehrer nach links zu spielen wäre vielleicht noch cool, weil du dann spiegelbildlich vorspielst und die Schüler das genau ablesen können. Aber auf der anderen Seite sollen sie es ja eigentlich nicht ablesen, sondern hören… 

Im Orchester ist es schon allein vom Klang her schwierig: Wenn du als erste Flöte nach links spielst, wird das die Oboe recht stressen und die zweite Flöte hört dich dafür nicht mehr so gut. 

 

Gestern haben wir Schostakowitschs Cellokonzert gespielt. Da gibt es im zweiten Satz eine Stelle, wo wir ganz kurze Achtel im Holzbläsertutti spielen – recht einfach. Da habe ich die rechtsseitige Flöte nach links gedreht, habe meine Finger ein bisschen flexibel gestaltet und die Passage nach links gespielt – einfach zum Spaß. Der Oboist hatte das nicht erwartet… :) 

Wenn du als zweite Flöte nach links spielst, ginge es. Aber dann geht der Klang eben von der ersten Flöte weg und die erste Flöte hört die zweite nicht mehr so gut. Das ist nicht so schlimm wie umgekehrt, aber es ist dann halt nicht so synchron. 

Was cool wäre: Piccolo nach links. Die Hornisten würden viel dafür zahlen, das haben sie mir schon bestätigt. :) 

Dann könnte man sagen: Ich spiele Querflöte nach rechts, aber Piccolo nach links. Das wäre lustig.

 

Da müsstest du dir ein linkes Piccolo bauen lassen, weil die vermutlich nicht aus Taiwan kommen…

Ja, genau. Aber das muss ich sowieso. Ich habe meins verkauft. Es ging nämlich noch weiter: Ich liebe den Instrumentenbau seither und habe mich viel damit beschäftigt. Ich habe mir auch nochmal eine rechtsseitige Flöte gekauft mit zwei, drei Gimmicks, die mehr Sinn machen: 99 % der Flötisten spielen das gis mit dem kleinen Finger links und etwa ein Prozent spielt das g mit dem kleinen Finger links, da ist die Klappe anders. Theobald Böhm wollte 1850, als er unsere Böhmflöte gebaut hat, dieses „open g sharp“. Aber die in Paris, im Pariser Konservatorium, waren zu mächtig und haben gesagt: 'Das hatten wir bislang nicht, das wollen wir nicht'. Es hätte aber mehr Sinn ergeben für die Griffe, die Finger und für den Klang. Das habe ich mir jetzt eben auch noch umbauen lassen. Und es war fast eine größere Umstellung, als nach links spielen zu lernen. Man verdrückt sich grauenhaft die ganze Zeit.

Und wenn du nach links spielst, hast du das „open g sharp“ nicht?

Doch, das habe ich mir noch umbauen lassen. Und deshalb musste ich das Piccolo verkaufen. 

Wie ist es sonst in Orchestern und Ensembles? Hast du da Linksspielen ausprobiert?

Ja, es ist sicher cool, wenn man zwei Querflöten hat. Da bekommt man einen Stereoklang und das ist mega schön. Aber es ist sehr kompliziert wegen der Körpersprache: Wenn du nach links spielst, ist auch der Körper nach links gewandt. Und wenn du rechts spielst, zeigt der Körper nach rechts. Nur der Kopf schaut geradeaus, also zum Notenständer, der ganze Torso ist weggedreht. 

Und man sieht sich dann nicht so gut oder nimmt man sich nicht so gut wahr?

Man sieht sich schon, aber die ganze Körpersprache ist auseinander. Mit dem Herzen und dem Körper ist es, wie wenn man eine Konversation hat und beide die Beine voneinander weg überschlagen. Dann ist die Kommunikation blockiert.

Das fühlst du auch, wenn ihr in unterschiedliche Richtungen spielt?

Am Anfang habe ich das nicht gemerkt. Ich habe mich dann immer gefragt: 'Warum haben wir so Probleme, zusammen zu spielen?' Bis ich gemerkt habe: Es ist, weil die Körpersprache auseinander ist. Du kannst da nicht 180° Querflöte zu Querflöte stellen, sondern musst den Winkel ein bisschen kleiner machen und mehr zueinander schauen, dann geht’s.

Und wie ist es, wenn du mit anderen Instrumenten zusammenspielst? Gibt es da auch solche Probleme?

Das wird mir seit dem Linkslernen viel klarer: Wenn ich mit der Harfe spiele, macht es mehr Sinn für mich als Rechtsflötist, links von der Harfe zu stehen, weil ich dann mit dem Körper zu ihr bin. Wenn ich nach links spiele, müsste ich also rechts von ihr stehen, damit es funktioniert.

Dann spielst du also nach wie vor hauptsächlich nach rechts, wenn du in Ensembles oder Orchestern spielst?

Ja, vor allem auch, weil man meistens wenig Vorbereitungszeit hat und es wirklich funktionieren muss. Und das tut es nach rechts. Einfach, weil ich schon viel mehr Stunden damit verbracht habe, seit ich ein Kind war. Und weil ich wirklich wenig Konzerterfahrung mit links habe. Da spiele ich noch mit wenig Charakter und es ist noch undefiniert vom Musikalischen her. Was natürlich nicht unbedingt schlecht ist…

Gibt es Unterschiede im Spielgefühl zwischen der rechten und der linken Spielweise?

Ja, total. Es kann aber auch daran liegen, dass es zwei verschiedene Flöten sind. Zwar vom gleichen Flötenbauer, aber schon anders gemacht, auch das Mundstück ist anders. Es ist aber auch vom Gefühl her anders, weil du einfach die andere Seite offen hast, also den anderen Lungenflügel.

Passiert es manchmal, dass du durch das Hin-und-Her-Wechseln irgendwie mit den Fingern durcheinander kommst? Also zum Beispiel mit dem rechten und linken kleinen Finger?

Nein, das nicht mehr. Es gibt so Gabelgriffe, ganz wenige Griffe, wo das Hirn mal was Falsches sendet. Aber bei Stücken, die ich wirklich einübe fürs Konzert, passiert das nicht.

Kann auch das Rechtsspielen mal durch das Linksspielen verwirrt werden?

Viele haben gesagt: 'Schau, dass du nicht verwirrt wirst'. Da sag ich: 'Ich war schon immer verwirrt'. :)

Ne, nach rechts sind die Griffe zu fest drin. Wenn ich ein Stück nach links einübe, muss ich es rechts nicht mehr üben. Dann ist die Musik im Hirn. Denn links übe ich viel bewusster als rechts, weil ich da einfach noch nicht so schnell bin. Eben auch, weil ich das als Erwachsener gelernt habe und nicht als Kind. 

Es gibt noch das Zwischendrin: Das Wissen. Das ist ja nicht rechts oder links. Es ist alles schon da, aber noch nicht synchronisiert.

Mir ist es manchmal passiert, als ich noch viel in beiden Richtungen gespielt habe, dass ich während des Spielens gar nicht spontan wusste, ob ich jetzt grade mit rechts oder mit links streiche. 

Das ist mir auch schon passiert! Da dachte ich plötzlich: Bin ich jetzt nach links oder nach rechts? Aber nicht, dass ich nicht mehr wusste, was ich drücken muss.

Bevor ich das ganze Linksspiel-Projekt hatte, habe ich mir mal in einem Gottesdienst vorgestellt, wie es wäre, das Stück, das wir gerade spielten, nach links zu spielen. Da hat sich wirklich der Körper gemeldet. Das war brutal, es mir in dieser Konzertsituation beim Spielen vorzustellen, mir wurde fast schlecht. Es war nur ganz kurz, aber ich hatte meinen Körper im falschen Moment mit dieser Vorstellung geschockt. 

Nimmst du auch manchmal die Flöte aus Versehen auf die falsche Seite?

Jaja, ist mir auch schon passiert. :) Vor allem, wenn ich beide Flöten habe. 

Seit ich links spiele bin ich insgesamt viel neugieriger geworden, weil ich gemerkt habe, dass es einfach cool ist. Es macht überhaupt nichts kaputt. Wobei... ich denke immer: Wenn man etwas gewinnt, verliert man auch etwas. Immer. Es gibt immer einen Tausch. Ich kenne nichts im Leben, was keinen Preis hat. 

Und was wäre jetzt der Preis bezogen auf dein rechtes Spiel?

Da weiß ich es noch nicht. Das kann ich vielleicht in vierzig Jahren beantworten… Ich finde es aber sehr heilend, wenn man nicht immer nach rechts spielt.

Merkst du da körperlich was?

Ich denke, dass sich eine gewisse Definition, die man erlangt hat, ein bisschen abschwächt, weil man nicht mehr so absolut unterwegs ist. Das finde ich aber nicht schlimm. Ich finde es oft sehr krampfhaft, wie sich Instrumentalisten im Leben abkapseln. Ich bin seit dem Umlernen viel freier geworden, auch in anderen Bereichen. Ich traue mich viel mehr. Ich war immer schon extravertiert, aber jetzt probiere ich viel mehr aus, bin neugieriger, verspielter und ich liebe es, mal mit rechts zum Beispiel die Zähne zu putzen. Auch wenn da ein Widerstand ist und ich dabei wie ein Holzfäller unterwegs bin, aber das macht ja nichts. 

Und, was das Schönste ist: Wenn du nach links spielst, wirst du dir bewusst, was du nach rechts kannst. Und das ist so schön! Es gibt so viele, die keine Wertschätzung haben für das, was sie können. Sie regen sich immer auf, was nicht geht und sind gar nicht dankbar und sehen auch gar nicht mehr, was sie alles können. Ich durfte durch das Erlernen des Linkspielens erfahren, was ich nach rechts überhaupt schon alles kann. Und das ist soooo viiiel! Bewusst werden, das ist das Größte für mich.

Und wie sieht es aus mit negativen Reaktionen auf das Linksspielen?

Mein Hauptfachlehrer wollte mich nicht mehr unterrichten. Er habe lange genug Anfänger unterrichtet und wollte mich erst wieder unterrichten, wenn ich Hochschulniveau auf dem Instrument erreicht hätte. Das war heftig! Es hat mich wirklich enttäuscht, weil ich so Freude hatte. Aber das hat mir auch sehr viel Energie gegeben, ihm zu zeigen, dass ich es kann. 

Ich weiß noch, in der Hauptprobe zum Bachelorkonzert ging er raus, weil er es nicht mehr ertragen konnte. Ich war natürlich schon noch nicht ganz sicher, nicht ganz sattelfest auf der Linksflöte. Das ist ja klar nach einem halben Jahr. Und das war ihm zu viel. Er ist wirklich raus und hat gesagt: „Ich kann es nicht mehr ertragen“. Das war für mich schlimm, denn ich brauchte da ja eine gewisse Rückendeckung. Dann hab ich aber gedacht: 'Jetzt erst recht!'

 

Und eine andere Situation: Einer Piccolospielerin wurde fast schlecht, als ich nach links gespielt habe. Sie hatte wirklich kurz Probleme mit dem Gleichgewicht.

 

Was mir auch auffällt: Wenn jemand etwas Andersartiges hat, das dennoch sehr ähnlich ist, sind viele abweisend. Du gehörst dann nicht mehr zum Club und machst dich selbst zum Einzelgänger. Du spielst zwar das gleiche Instrument, aber du stellst damit die anderen infrage. Ich hab das nicht schlimm gefunden, es war mir egal, aber das merke ich jetzt schon, wenn ich zurückdenke. 

Und Reaktionen aus dem Publikum?

Das Linksspielen wird meistens sehr aufgeplustert, wenn du als Solist auftrittst. Es kann sogar dein Alleinstellungsmerkmal werden. Dann sagen sie: 'Das ist ja Wahnsinn, wie Sie da wechseln! Ist das nicht eine wahnsinnige Umstellung?' – Es ist eben auch ein bisschen Geilheit, weil sie merken: Das ist der Einzige, der das kann. 

Davon habe ich mich ein bisschen distanziert, denn das ist ja nicht die Musik. Das ist cool für fünf Minuten, aber dann haben sie’s auch irgendwann gesehen.

Mir geht’s um die Musik. Ich habe das Linkslernen nicht wegen der Musik gemacht, ich habs wegen der Neugier gemacht. 

 

Was mir noch auffällt: Wenn Leute sagen 'Ah, du spielst Querflöte!', dann machen sie das oft nach und spielen so in der Luft ‚Querflöte‘. Und zwar manche nach rechts und manche nach links. Ich smile dann immer in mich rein und denk mir: Das könnte ein Linkshänder sein, oder wenigstens ein Linksspieler. Denn mir sagen sie auch: 'Ah, bist du Linkshänder?', wenn ich nach links Querflöte spiele. Dann sage ich: 'Ja, per Zufall'. Ich finde, das ist so dumm, denn man muss ja nicht Linkshänder sein, um linksrum zu spielen.

 

Manche, die umlernen, wollen nur noch nach links spielen. Das würde mir gar nicht in den Sinn kommen, weil ich es viel zu spannend finde, beides zu machen. Es ist ein Unterschied, aber ich werte es nicht. Es ist einfach neuartig – ein erfrischender Wechsel.

Ist es bei dir auch so, dass es, je länger du es machst, immer weniger ein Thema für dich wird, weil es so normal geworden ist?

Ja, ich muss sagen, ich spiele die linke Flöte jetzt nicht mehr so viel, denn ich weiß jetzt, wie’s ist. Ich kann’s spielen, wenn auch nicht im gleichen Tempo wie nach rechts. Ich bin noch nicht so virtuos und das bräuchte einfach sehr viel Zeit, von der ich nicht weiß, ob ich sie investieren will. Ich denke da auch an die Effizienz. 

 

Es gab Leute, die gesagt haben: 'Warum eine linksseitige Flöte? Warum lernst du nicht einfach ein neues Instrument?' – Das sehe ich heute auch ein bisschen so, denn ein anderes Instrument gibt ja auch ganz neue Horizonte… Aber am meisten kam die Reaktion: 'Was ist der Sinn davon? Was ist der Zweck, der Benefit?'

Und da wusste ich nie genau, was ich sagen soll. Ich habe es ja nicht gemacht, um einen Vorteil zu haben. Die wollen immer den Grund hören. Ich habe dann geantwortet: 'Das Wissen zu haben, aber das Können nicht'. Und das war den meisten zu wenig. – Aber für mich war es genau das Richtige.

Video mit rechter und linker Flöte

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