Als Linksstreicherin in der Alten Musik wird man öfter nach dem Konzert angesprochen. Zu jeweils 50% entweder mit „Ja haben Sie denn da die Saiten auch andersrum aufgezogen?“ oder mit „Ha, genau wie Reinhard Goebel!“ – Letzteres oft gefolgt von einer Geschichte über dessen Umlernprozess, meist haarsträubender Natur.
In der Sendung „Zwischentöne“ vom 02.01.2022 erzählt der Barockgeiger und Dirigent Reinhard Goebel selbst von dieser Zeit und gewährt Einblicke in sein Umlernen:
Nach der Aufsehen erregenden Einspielung von Bibers Rosenkranz-Sonaten, sei er 1990 in ein tiefes Loch gefallen: „Meine linke Hand, meine Griffhand, war derartig fix und fertig, dass da gar nichts mehr ging“. Durch das intensive Üben für die Aufnahme hatte er eine fokale Dystonie entwickelt. Es hatte sich „ausgegeigt“, mit 38 Jahren. Am 1. Januar 1991 begann er, „verkehrtherum“ geigen zu lernen, begleitet von der Pädagogin und heutigen Violinprofessorin Christiane Hutcap, bei der er nun zweimal die Woche zum Unterricht erschien. „Schmerzhaft war, einerseits zu wissen, wie’s geht, es aber nicht zu können“. Die Antwort auf die Frage, ob er wirklich wieder bei null anfangen musste, kommt deutlich: „Ja! Wo denn sonst?“ Nach ein paar Jahren absolvierte Goebel linksstreichend sein Examen. Später habe er wieder auf rechts umgestellt, doch schon mit dem ersten Umlernen fand ein weiterer Wechsel statt, vom Geigen- ans Dirigierpult, wo er bis heute anzutreffen ist.
Deutschlandfunk: „Zwischentöne" vom Sonntag, 02. Januar 2022. Die Sendung kann hier nachgehört werden. Um die Umlernzeit geht es ab Minute 43:24.
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