Die Händigkeit und ihr Einfluss auf das Spiel der Blockflöte
„Ab dem ersten Ton packte mich ein Aha-Erlebnis! Ich spürte erstmals ein Gefühl von Stimmigkeit zwischen Körper und Instrument. Ich nehme meine Blockflöte besser in ihrer ganzen Länge wahr, wenn meine dominante linke Hand an der unteren Position spielt. Bei dieser Haltung ist meine gesamte Körperaufrichtung besser. Dadurch steht der Atmung mehr Raum zur Verfügung. Sie kann natürlicher und freier stattfinden. Das führt zu einem schöneren, klangvolleren Ton. Längere Phrasen sind von allein möglich und die Zwischenatmung funktioniert besser.“
Dieser Artikel erschien zuerst in „Windkanal – Das Forum für die Blockflöte“, 2024 (27) Nr. 3, S. 20–27.
Hat es einen bestimmten Grund, an welcher Position welche Hand an der Blockflöte spielt? Bedeutet es einen Unterschied, wie herum man die Blockflöte hält? Oder haben beide Hände mit dem Schließen und Öffnen der Löcher funktionell die gleichen Aufgaben?
Diesen Fragen geht dieser Artikel nach und stößt dabei auf grundlegende Unterschiede, die in der Händigkeit des Menschen begründet liegen. Sie eröffnen sich dem Betrachter und dem Lernenden des Blockflötenspiels aber nur bei genauerem Hinsehen, Hinspüren und mit dem intensiven Befassen mit der Haltung der Blockflöte.
Ein Beitrag von Ulrike Scheuchl
Bisher wird von den meisten BlockflötistInnen und MusikpädagogInnen die Blockflöte in einheitlicher Weise gespielt und unterrichtet. Die rechte Hand spielt unten am Instrument und die linke oben.
Warum ist das eigentlich so? Sind die Handpositionen theoretisch gleichwertig austauschbar? Hat man sich aus Gründen der Vereinfachung im Instrumentenbau auf diese Seite festgelegt?
Alle diese Fragen habe ich mir als Kind nie gestellt. Es sah für mich so aus, als würden die Finger beider Hände flink auf der Blockflöte herumtanzen. Des Weiteren habe ich mich meiner Musikschullehrerin anvertraut und Sopran- und Altblockflöte, später auch Klavier und Klarinette, in der üblichen Handhaltung zu spielen gelernt.
Glücklicherweise erkannte meine Mutter meine Linkshändigkeit und wusste darüber Bescheid, wie wichtig es für die Entwicklung eines Menschen ist, alle Tätigkeiten entsprechend seiner Händigkeit auszuführen. Mit diesem Rückhalt durfte ich links schreiben, malen, schneiden, werfen und alle Sportarten linksherum ausführen.
Als ich im Instrumentalunterricht davon erzählte, dass ich Linkshänderin sei, erhielt ich als Antwort, dass ich dadurch sogar einen Vorteil an den Instrumenten hätte, da meine linke Hand geschickter sei, als die der Rechtshänder. Hinterfragt habe ich diese Aussage damals nicht, mich sogar geschmeichelt gefühlt oder im Vorteil gesehen. Denn als Linkshänder wird es einem in unserer Welt an sehr vielen Geräten und Werkzeugen abverlangt, sich anzupassen und die Geschicklichkeit der rechten Seite zu üben. Dadurch wirkt es oft so, als seien Linkshänder mit beiden Händen grundsätzlich geschickter als Rechtshänder. Aber im Grunde ist ein Linkshänder angelegt wie ein Rechtshänder, nur eben seitenvertauscht.
Nach dem Musikabitur begann ich das Musikstudium mit dem Hauptfach Klarinette. Jetzt legte ich meine Energie ganz in die Musik und in das Üben. Doch das intensive Üben fiel mir schwer. Ich verkrampfte bei der Atmung, der Ton erreichte nicht die gewünschte Klangfülle und Sicherheit. Es fühlte sich für mich immer so an, als würde ich etwas noch nicht richtig machen. Ich hatte das Gefühl, ich könne zu meinem Spiel nicht stehen und mein Ton höre sich nicht überzeugend genug an. Im Ensemble wurde dieses Gefühl überdeckt, aber beim Üben oder Vorspielen fand ich sehr schwer in ein stimmiges Körpergefühl und in einen Flow hinein. Die Unsicherheit verstärkte sich über die Studienjahre durch das viele Üben immer mehr. Es war eine verzweifelte Situation und insgesamt sehr belastend. Ich verstand nicht, warum ich meine musikalischen Vorstellungen auf dem Instrument nicht umsetzen konnte und warum ich nicht so lange und selbstbewusst wie meine Kommilitonen üben und spielen konnte.
Zufällig las ich im Dezember 2004 den Artikel „Linkshändigkeit und Streichinstrumentenspiel“ von Walter Mengler in der Zeitschrift Das Orchester (Mengler, Linkshändigkeit und Streichinstrumentenspiel, 12 2004). Darin beschrieb er, wie es Spielern an Streichinstrumenten geht, die ihre Instrumente entgegen ihrer Händigkeit spielen. Das heißt, dass sie mit ihrer nicht-dominanten Hand den Bogen führen und damit den Ton erzeugen.
Überrascht stellte ich fest, dass alle Symptome, die Herr Mengler beschrieb, auch auf mein Spiel auf der Klarinette zutrafen. Der Eindruck war so intensiv, dass ich daraufhin meine Klarinette sofort spiegelverkehrt ausprobierte. Ich nahm sie andersherum in die Hand, die linke Hand an die untere Position, die rechte Hand an die obere. Ich griff über die Klappen hinweg, konnte so die Haupttonlöcher erreichen und viele Töne in allen Lagen spiegelverkehrt spielen.
Ab dem ersten Ton packte mich ein Aha-Erlebnis!
Ich hatte plötzlich ein völlig anderes Körpergefühl. Ich verstand, wie sich die Klarinette eigentlich richtig anfühlen sollte! Ich spürte erstmals ein Gefühl von Stimmigkeit zwischen Körper und Instrument. Mein starker Arm hielt das Instrument mit Selbstverständlichkeit vor dem Körper. Dadurch spürte ich die Klarinette wirklich bis zum Becher hinunter in ihrer ganzen Länge. Der Ansatz mit den Lippen und der Haltedaumen bildeten eine stabile Achse, die bei allen Tönen das Instrument stabilisiert. Die Finger beider Hände spielten die Tonsequenzen sich übergebend hinauf und hinunter. Dieses Körpergefühl hatte ich trotz jahrelangen Trainings auf der anderen Seite nie gespürt. Automatisch war die Körperaufrichtung besser, leichter und freier. Die Atmung lief automatisch natürlicher und freier ab. Der Ton klang voller und schöner. Erstmals hatte ich das Gefühl, ich identifiziere mich mit dem Ton. Auch Selbsteinschätzung und Selbstkorrektur fühlten sich richtig an. Ich hatte das gefunden, was noch nicht gestimmt hatte.
Die Hände zu tauschen ging relativ leicht. Es fühlte sich so an, als hätte sich mein Gehirn schon einmal eine gespiegelte Blaupause dafür angelegt. Auf diese Entdeckung hin beschloss ich, die Handhaltung an der Klarinette umzulernen und weiterhin nur noch so zu spielen.
Diese linke Handhaltung übertrug ich auch auf die Blockflöte. Ich drehte den Fuß bei meinen dreiteiligen Blockflöten nach links und konnte so gleich alle Töne spielen. Natürlich lagen die Doppellöcher verkehrt herum. Im Gegensatz zur Klarinette konnte ich aber trotz dieser kleinen Behinderung gleich im kompletten Tonumfang spielen.
Bei den Blockflöten stellte sich bei mir ebenfalls sofort das gleiche stimmige Körpergefühl ein wie bei der Klarinette. Bis heute freue ich mich jedes Mal beim Spielen, uneingeschränkt bei allen Größen der Blockflöte auch bei der kleinsten und leichtesten, über dieses schöne Körpergefühl.
Durch meine persönlichen Erlebnisse wurden mir die Funktionen der Hände an der Blockflöte klar, ebenso auch die Auswirkungen, wenn man entgegen seiner Händigkeit spielt. Diese Aspekte wurden mir weder im Instrumentaltunterricht noch im Musikstudium jemals erklärt oder auch nur erwähnt.
Auch das Klavier spiele ich seit vielen Jahren mit viel mehr Spaß und Freude mit einer gespiegelten Tastatur (Informationen zum Linkshänderklavier im Linksgespielt-Blog und auf der Website von Géza Losó).
Die Frage, ob man verallgemeinern kann, dass alle Linkshänder linksherum spielen sollten, kann ich natürlich nicht mit Sicherheit beantworten. Meine jahrelangen Erfahrungen und die anderer linksspielender Instrumentalisten deuten aber daraufhin. Die Händigkeit sollte vor allem immer bedacht werden und jeder sollte selbst entscheiden, auf welcher Seite er spielt.
Was ist die Händigkeit?
Die Händigkeit ist die intuitive Bevorzugung einer Hand bei allen Tätigkeiten. Sie prägt sich entweder als Rechts- oder als Linkshändigkeit aus.
Sind bei einer Tätigkeit beide Hände beschäftigt, entsteht eine Hierarchie zwischen der bevorzugten, dominanten Hand und der zuarbeitenden, nicht-dominanten Hand. Bei vielen Tätigkeiten erstreckt sich diese Hierarchie in den ganzen Körper hinein etwa bis zum Standbein hinunter.
Die Überlegenheit der dominanten Hand bildet sich in mehreren Bereichen des Handgebrauchs heraus: in der Geschicklichkeit, der Ausdauer, der Kraft, beim Empfindungsvermögen wie zum Beispiel beim Fühlen und Tasten, im Körperbewusstsein des Menschen und beim Sich-Ausdrücken, zum Beispiel beim Gestikulieren.
„Die nicht-dominante Hand ist der vorbereitende Partner im Team der Hände.“
(Mengler, Musizieren mit links, 2010, S. 19)
Sie hält zum Beispiel den Nagel fest, den die dominante Hand mit dem Hammer ins Holz schlägt.
Den Erfahrungen vieler Linkshänder nach ist die Händigkeit für das Leben festgelegt und nicht umtrainierbar. Sie ist im Gehirn angelegt.
2007 wurden die Gehirnaktivitäten von Linkshändern in einer Studie (Klöppel, Vongerichten, Van Eimeren, Frackowiak, & Siebner, July 18, 2007) untersucht, die mit rechts zu schreiben gelernt hatten. Die motorischen Gehirnareale der rechten Hand, die direkt an der Bewegungssteuerung beteiligt sind, waren entsprechend aktiv und vermehrt trainiert. Die Areale jedoch, „die an der Planung und Kontrolle von Bewegungen teilnehmen, zeigten ein komplett anderes Muster. Diese sind funktionell den zur Bewegungssteuerung verantwortlichen Gehirngebieten übergeordnet. In diesen zeigten die umgelernten Linkshänder trotz der "Umschulung" eine bevorzugte Aktivierung ihrer dominanten Hirnhälfte, egal ob die Taste mit der rechten, der linken oder mit beiden Händen gedrückt wurde. Diese Areale waren bei umgeschulten Linkshändern sogar stärker aktiv als bei Linkshändern, die nie umgeschult worden waren“ (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein: Link).
Meine eigenen Erfahrungen an den Musikinstrumenten decken sich mit diesen Resultaten. Ich konnte als Linkshänder jedes Instrument rechtshändig bis zu einem gewissen Grad erlernen, aber zum Preis einer übermäßigen Anstrengung und ohne das Gefühl des kompetenten Beherrschens des Instrumentes. Wie die Studie zeigt, sind beim Gebrauch der schwächeren Seite trotzdem die Gehirnareale der dominanten Seite aktiv, die für die Bewegungsplanung und -kontrolle zuständig sind. Dies kann die vermehrte Anstrengung durch den vermehrten Informationsaustausch zwischen den Gehirnhälften erklären und die mehr oder weniger bewusste spiegelverkehrte Vorstellung der richtigseitigen Ausführung. Es fiel mir im Gegensatz zu Rechtshändern sehr leicht, die Spielweise an der Klarinette und an den Blockflöten sofort zu spiegeln. Viele rechtsschreibende Linkshänder erleben ähnliches, indem sie wie von allein spiegelverkehrt schreiben können.
Eine Tätigkeit auf der schwächeren Seite auszuführen, bedeutet meiner Erfahrung nach eine über die Maßen große Anstrengung bezüglich der Konzentration, die starke Gefahr von Verkrampfungen, gepaart mit einer starken Ermüdung und einem unbefriedigendem Ergebnis.
Mit diesem Hintergrundwissen kann man sich vorstellen, was es für die Linkshänder bedeutete, alles rechts auszuführen müssen. Bis Ende der 1970er Jahre mussten alle linkshändigen Kinder ihre natürlichen Bewegungsimpulse unterdrücken und mit rechts schreiben, malen, schneiden, werken und auch grüßen. Diese Umschulung der Händigkeit hat unterschiedlich stark ausfallende negative Folgen für die Betroffenen wie zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme, Rechts-Links-Unsicherheiten und auch sekundäre psychische Folgen wie Gefühle von Minderwertigkeit, Unsicherheit und Störungen im Gefühl der eigenen Wirksamkeit (Arnoldussen S. 30–41).
Auch die Begriffe rechts und links sind in unserer Sprache mit positiven und negativen Assoziationen verknüpft. Rechts wie rechthaben und richtig, links wie verschlagen oder linkisch.
Seitdem das Umerziehen in der Schule verboten ist, steigt der Anteil der Linkshänder in der Bevölkerung an. Durch eine frühe konsequente Polung auf rechts wissen jedoch bis heute einige Menschen nicht von ihrer eigentlichen Linkshändigkeit oder fühlen sich zum Beispiel als Beidhänder. Dies macht es auch gegenwärtig noch schwer, die Verteilung der Händigkeiten in der Bevölkerung zu messen. Auch generell mangelt es an Zahlen und Daten. In allen Veröffentlichungen findet man darum unterschiedliche Angaben.
Die S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. vermutet in ihrer Ausgabe von 2020 (S. 2) zwischen 10 und 15 % Linkshänder in der Bevölkerung. Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München schreibt in seinem Buch Das linkshändige Kind in der Grundschule (S. 16), dass „es heute keine Seltenheit mehr ist, einen Anteil von 20–30 % nicht umgeschulter Linkshänder in Grundschulklassen zu finden“. Leider sind diese Angaben alle nicht mit Quellen belegt. Hier befindet sich ein großes, dringend zu erforschendes Feld.
Auch die Entstehung und Vererbung der Händigkeit ist noch unbekannt. Meinen Beobachtungen nach liegt der Anteil der Linkshänder in der Bevölkerung irgendwo zwischen 10 und 20 %. Bei 15 % wären das in Deutschland 12 Millionen Menschen. Es handelt sich hier um einen ernstzunehmend großen Anteil der Bevölkerung. Auf eine kurze Formel gebracht, kommt ein Linkshänder auf fünf bis sechs Rechtshänder.
Was bedeutet händigkeitsgerechtes Spiel auf der Blockflöte und wie sind die Handfunktionen beim Blockflötenspiel?
Die Blockflöte wird an den Lippen angesetzt und vor dem Körper schräg nach vorne unten gehalten. Sie hat in der Grundform sieben Tonlöcher an der Vorderseite und ein Tonloch für den Daumen auf der Rückseite. In der gängigen Spielweise bedient die linke Hand die ersten drei Tonlöcher und das Daumenloch an der oberen Position, durch das auch das Überblasen gesteuert wird. Die rechte Hand bedient die unteren vier Tonlöcher, von denen die untersten zwei meistens Doppellöcher sind und das unterste für den kleinen Finger seitlich eingerückt ist. Auf dem rechten Daumen liegt die Flöte auf und wird dadurch gehalten und ausbalanciert.
Die wichtigsten händigkeitsbezogenen Aufgaben führt die dominante Hand mit ihrem Daumen und mit ihrem Sitz an der unteren Position aus.
Die Asymmetrie in der Haltung liegt in den beiden Handpositionen oben und unten am Instrument.
Die gängige Haltung „oben links, unten rechts“ ist für Rechtshänder richtig.
Vom Zuschauer aus betrachtet sieht es so aus, als würden beide Hände mit dem Schließen und Öffnen der Tonlöcher nahezu die gleiche Tätigkeit ausführen. Die wichtige, händigkeistrelevante Aufgabe des unteren Daumens spielt sich still und oft unbeachtet auf der Rückseite der Flöte ab.
Der untere Daumen balanciert die Flöte aus. Er trägt ihr Gewicht. Er bildet mit den Lippen, dem dominanten Arm und dem restlichen Körper eine stabiles Haltedreieck und stellt dadurch eine stabile Verbindung zwischen Spieler und Instrument her.
Ich nehme meine Blockflöte besser in ihrer ganzen Länge wahr, wenn meine dominante Hand an der unteren Position spielt, denn das Gefühl und die Wahrnehnung für die dominante Hand sind im Bewusstsein des Menschens stärker ausgeprägt als die für die nicht-dominante Hand.
Die dominante Hand hat auch ein besseres feinmotorisches Geschick. Damit gleicht der Haltedaumen durch Mikrobewegungen ständig jede Lageveränderung der Flöte und der Hand bei den verschiedensten Griffkombinationen aus. Die Blockflöte wird auf diese Weise optimal ausbalanciert und das Fingerspiel auf ihr kann bestens stattfinden.
Die dominante Hand hat mehr Kraft. Das wirkt sich umso stärker aus, je größer und schwerer das Instrument ist. Der dominanten Hand fällt es viel leichter, die Blockflöte mit Leichtigkeit eine lange Zeit vor dem Körper zu halten. Die Gewichtsverteilung dieser Haltearbeit verteilt sich im ganzen Körper bis zu den Füßen hinunter. Es entsteht ein sicherer Standfuss auf der Seite der dominanten Hand. Ein Tragegurt bei größeren Flöten mildert die händigkeitsrelevante Haltearbeit etwas ab. Er birgt dafür aber die Gefahr der Verspannung im Schulterbereich.
Die richtige, händigkeitsbezogene Haltung für mich als Linkshänder ist es, wenn meine dominante linke Hand an der unteren Position spielt und meine zuarbeitende, nicht-dominante Hand an der oberen. Dieses stimmige Körpergefühl verspüre ich an allen Größen der Blockflöte, vom auf dem Boden stehenden Subbass bis zum Garkleinflötlein.
Bei dieser Haltung ist meine gesamte Körperaufrichtung besser. Dadurch steht der Atmung mehr Raum zur Verfügung. Sie kann natürlicher und freier stattfinden. Das führt zu einem schöneren, klangvolleren Ton. Längere Phrasen sind von allein möglich und die Zwischenatmung funktioniert besser.
Der immerwährende, verlässliche Kontakt über den dominanten Daumen zum Instrument gibt mir eine zuverlässige Sicherheit beim Spielen über alle Tonlöcher hinweg, besonders auch bei den Tönen, bei denen nur wenige andere Finger mit beteiligt sind.
Neben der Haltung und der Instrumentenwahrnehmung ist der zweite wichtige Block des händigkeitsgerechten Spiels auf der Blockflöte die Zusammenarbeit beider Hände untereinander im Bewegungsablauf der Tonabfolge. Das heißt, dass bei einer abwärtsgespielten Tonleiter die Töne von der oberen nicht-dominanten Hand an die dominante Hand übergeben werden und weitergeführt werden. Die dominante Hand spielt die Tonleiter bis zum tiefsten Ton des Instrumentes zu Ende. Meist ist dies sogar der Grundton des Instruments. Hier zeigt sich deutlich die Hierarchie der beiden Hände untereinander:
Die vorbereitende, zuarbeitende Handlung der oberen, nicht-dominanten Hand und die vollendende, ganzheitlich wahrnehmende Tätigkeit der unteren, dominanten Hand.
Das Übergeben der Töne im Spiel von hinauf und hinunter, findet bei mir nur statt, wenn die dominante Hand an der unteren Position sitzt.
Durch dieses Phänomen ist mir auch die Ganzheitlichkeit der Virtuosität mit dem Augenblick des Linksspielens klar geworden. Die neuen, gespiegelten Bewegungsabläufe waren zwar noch nicht automatisiert, aber die Abläufe empfand ich erstmals als stimmig.
Sitzt die dominante Hand jedoch an der oberen Stelle, fühlen sich bei mir beide Hände beim Spiel wie zwei unterschiedliche Abteilungen an. Jede erfüllt zu ihrer Zeit ihre Aufgabe, aber die übergebende Zusammenarbeit findet so nicht statt.
Stelle ich mir bewusst vor, dass die rechte Hand unten führt, kann ich ein quasi rechtshändiges Spielgefühl hervorrufen. Das ist aber auf längere Zeit hin sehr anstrengend und kommt noch mehr einer Umschulung der Händigkeit gleich, als wenn ich mit linkshändigem Bewusstsein verkehrtherum spiele.
Durch die ganzen Vorteile des linkshändigen Spiels macht mir das Blockflötespielen linksherum viel, viel mehr Spaß.
Es hat eine Selbstverständlichkeit, die es mir um so vieles erleichtert, für mich selbst und auch für oder vor anderen zu spielen. Dieses stimmige Körpergefühl des Richtigmachens ist bei mir nur auf der linken Seite vorhanden.
Beim Üben setzt das Gefühl des Flows regelmäßig ein. Das Spielen macht immer Lust auf mehr. Die eigene Beurteilungskraft ist besser ausgeprägt, weil der Aspekt der Haltung nicht schon grundsätzlich geschwächt ist.
Psychologisch stehe ich nun mit viel mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen hinter meinem Spiel.
Es gab noch ein paar weitere überraschende positive Nebeneffekte, die sich bei mir mit dem Linksspielen einstellten.
Generell konnte ich besser mental üben und auch unbekannte Stücke besser mental durchdenken. Zuvor war das mehr eine Aneinanderreihung von Tönen, der der Bewegungsfluss fehlte. Auch in der Vorstellung funktioniert der Bewegungsfluss bei mir über beide Hände hinweg nur auf der richtigen linken Seite. Ich bewunderte oftmals Kommilitonen, wie sie unbekannte Stücke still durchfingerten. Auf der linken Seite konnte ich das plötzlich auch wie von allein.
Auch das autodidaktische Lernen ist bei mir beim Spiel auf der linken Seite viel besser ausgeprägt.
Das Verstehen der Basslinie und der Harmonien beim Hören eines Stückes fällt mir seit dem Linksspielen wie von allein leichter. Dies liegt meiner Meinung nach an der für mich jetzt richtigen Bewegungsrichtung.
Auch die Nuancen der Musik, die nicht in den Noten notiert sind, wie Betonungen, Phrasierungen oder Artikulationen, fließen viel leichter in mein Spiel ein. Es ist für mich nun eine spannende Entdeckungsreise, ein Stück intensiv während des eigenen Übens kennenzulernen. In der anderen Handhaltung war es eher wie „Malen nach Zahlen“. Grundsätzlich war ich mehr auf die Hilfen anderer oder die eines Lehrers angewiesen.
In früheren Artikeln wurde geschrieben, dass die gängige Handhaltung an der Blockflöte für Linkshänder von Vorteil sein könnte, weil die Steuerung des Überblasens durch den oberen linken Daumen geregelt wird. Für mein Körpergefühl ist die Aufgabe des unteren Daumens jedoch ausschlaggebender. Stellt dieser die Haltungsstabilität zwischen sich und den Lippen her, kann der nicht-dominante Daumen das Daumenloch mit wunderbarer Sicherheit und ausreichendem Geschick präzise steuern.
Wie geht man als Musikpädagoge im Instrumentalunterricht am besten mit der Händigkeit bzw. mit Linkshändern um?
Im Instrumentalunterricht sollte das Beachten der Händigkeit ein fester Baustein des Unterrichts sein. Beim Kennenlernen eines neuen Schülers sollte die Händigkeit erfragt und besprochen werden. Bei Kindern im Vorschulalter, die noch keinen klaren Handvorzug zeigen, sollte man den Eltern eine Händigkeitsabklärung bei einem zertifizierten Linkshänderberater empfehlen. Bei allen Schülern, egal welchen Alters, sollte man immer ein waches Auge auf den Handgebrauch haben. Wie im vorletzten Kapitel erwähnt, gibt es unbewusst umgelernte Linkshänder. Bei intuitiven Bewegungen wie zum Beispiel dem Klatschen oder auch dem Zusammenstecken des Instruments, fallen einem manchmal linksseitige Bevorzugungen auf.
Meiner Meinung nach sollten alle Linkshänder, für die ein linkshändiges Instrument erhältlich ist, linksseitig spielen.
Meiner Erfahrung nach wird die Händigkeit heutzutage im Instrumentalunterricht meistens nicht angesprochen und integriert. Auch in meinem Musikstudium, im pädagogischen sowie im künstlerischen Studiengang, wurde darauf nie eingegangen. Viele Musikpädagogen sind immer noch der Meinung, die Händigkeit spiele an den Musikinstrumenten keine Rolle, weil an den meisten Instrumenten beide Hände mit feinmotorischen Aufgaben gefordert sind.
Gerade bei der Sopranblockflöte wird man leicht zu dieser Meinung verleitet, dadurch dass die ersten fünf Töne, die man lernt (g1–d2) mit der nicht-dominanten Hand gegriffen werden. Auch das Überblasen wird vom nicht-dominanten Daumen gesteuert. Auch dadurch dass die Sopranblockflöte zum e2 hin überbläst, haben die untersten Finger in der überblasenen Lage weniger zu tun als in der unteren Lage.
Alle diese Punkte können dazu verleiten, dass die Tätigkeiten der oberen Hand an der Blockflöte zu wichtig genommen werden und dadurch die Hierarchie der Hände in den Hintergrund rückt oder falsch verstanden wird.
Viele Instrumentallehrer haben verständlicherweise Vorbehalte, ob sie linksspielende Schüler überhaupt entsprechend gut linksseitig unterrichten könnten. Hier kann ich ganz klar beruhigen. Als Lehrer reicht es aus, sein Instrument auf einer Seite zu beherrschen. Der Unterricht zwischen einem Rechts- und einem Linksspieler ist gut mit einem Blick in den Spiegel zu vergleichen. Unsere Vorstellungskraft ist so flexibel, dass wir gespiegelte Vorbilder leicht für unsere Seite adaptieren können.
Zwei gleichseitige Spieler können sich besser nebeneinander etwas zeigen. Zwei unterschiedlich seitige Spieler zeigen sich besser etwas in der Gegenüberstellung.
Ab und zu muss man als Lehrer das Instrument des Schülers testen. Um eine Links-Flöte in ihrer Funktion, im Klang oder in der Ansprache auszuprobieren, reicht es aus, dass man darauf nur langsam spielen kann. Die meisten Blockflöten können auch gut von der falschen Seite her gegriffen angespielt werden.
Der erste linksspielende Schüler bedeutet natürlich etwas Neues. Ich mache hier ausdrücklich Mut. Es ist interessant und funktioniert der Erfahrung nach sehr gut. Der Unterschied durch die Handpositionen ist in Betracht des komplexen Themas des Musizierens sehr klein.
Einige Musikpädagogen meinen, es wäre ein zu großer Aufwand, Linkshänder-Instrumente einzuführen, denn es gäbe die seltenen Größen der Blockflöten nicht in dieser Ausführung.
Leider gibt es wirklich im Moment noch keine Auswahl derartiger Instrumente. Hier kommt es natürlich auf die Bekanntheit des Linksspielens und der Händigkeitsthematik an. Gibt es in Zukunft mehr Linksspieler, wird es auch mehr Linksblockflöten geben.
Von meiner eigenen Erfahrung her finde ich es wichtiger, seine Hauptinstrumente in körperstimmiger Weise zu spielen, als seine Fähigkeiten durch die falsche Seite einzuschränken, nur, um eine möglichst große Auswahl an Instrumenten zur Verfügung zu haben.
Man kann für die selteneren Blockflöten auch Lösungen finden. Im Moment spiele ich im Ensemble zum Beispiel auch auf einer „normalen“ Bassblockflöte, bei der ich den Fuß nach links drehe und alle Teile so gut wie möglich für mich zurecht drehe. Einen Großbass spielte ich leihweise auch links. Hier musste ich nur auf den tiefsten Ton verzichten.
Auch das Argument, wenn man linkshändig spielt, kann man später kein anderes Holzblasinstrument erlernen, trifft nicht mehr vollständig zu. Querflöten und Klarinetten sind auf jeden Fall schon linkshändig erhältlich. Bei den Querflöten ist die Verbreitung der Linkshänder-Instrumente schon etwas mehr etabliert. Hier gibt es Serieninstrumente für Schüler und Meisterinstrumente. Die Asymmetrie bei der Haltung der Quer- oder Traversflöte sticht einem viel mehr ins Auge als die bei der Blockflöte. Die Handpositionsverteilung beruht hier aber auf der gleichen Grundlage wie bei der Blockflöte: zuerst die nicht-dominante Hand, dann weiter außen bzw. weiter unten die dominante Hand. Durch die nach außen ausgestellte Haltung wirkt sich der Einfluss der Händigkeit hier noch deutlicher aus als bei der Blockflöte. Deswegen gibt es hier auch schon viel mehr Linksspieler. Zu Erfahrungen mit Linkshänder-Querflöten empfehle ich den Artikel „Verkehrte Flöten im Orchester?“ von Karoline Renner in Das Orchester 11/2020.
Generell sollte man jedoch weniger statisch denken. Die linkshändige Schülerin einer Kollegin lernte Blockflöte zunächst rechtsherum und wollte dies nicht noch einmal verändern. Mit der Querflöte hat sie gleich von Anfang an linksherum begonnen. Sie hat sehr viel Freude an der Querflöte und verspürt keinen Nachteil darin, die Seite gewechselt zu haben. Für mich steht die persönliche Entscheidung und Entwicklung der Kinder immer im Vordergrund.
In der Unterrichtsliteratur der Blockflöte wird das Thema Händigkeit und Linksspielen meines Wissens in keinem Werk ernsthaft erwogen und erklärt. Das zeigt, dass das Thema noch nicht im Bewusstsein der Allgemeinheit angekommen ist. Es sollte in den zukünftigen Schulwerken erklärt werden. Für die Unterrichtspraxis ist es aber erst einmal nicht hinderlich, denn die neuen Töne werden meist als Griffbild abgebildet. Man kann sich diese Abbildungen entweder als Blick in den Spiegel vorstellen oder als ein Nebeneinander.
Ein weiteres, häufig gehörtes Argument gegen das Linksspielen ist, dass Linksspieler nicht in Ensembles mitspielen können, weil sie nicht in das übliche Bild oder in die Formation passen. Dieses Argument betrifft hauptsächlich die Streichinstrumente und die Querflöte. Selbst hier zeigen die Erfahrungen, dass immer Lösungen für Sitzordnungen gefunden wurden. Bei der Blockflöte wird es oft gar nicht bemerkt, dass Spieler verschiedener Richtungen zusammenspielen. Meiner Meinung nach sieht es optisch schön aus, wenn Links- und Rechtsspieler gemeinsam musizieren. Es stellt eine gewisse Symmetrie her.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass es immer eine Zeit dauert, bis sich Neuerungen etablieren. War es in den 1980er Jahre noch sensationell, dass eine Frau in ein professionelles Symphonieorchester aufgenommen wird, kann man sich die damaligen Vorbehalte heutzutage gar nicht mehr ernsthaft vorstellen. Meiner Meinung nach wird es mit der Händigkeit ähnlich verlaufen. Nur sind wir hier noch nicht so weit.
Gibt es linksseitige Blockflöten zu kaufen?
Linkshänder-Blockflöten zu bekommen ist leider im Moment noch etwas aufwändig. Grundsätzlich kann man alle dreiteiligen Blockflöten linksherum spielen, indem man den Flötenfuss nach links dreht. Im Anfängerunterricht kann ein Linkshänder sehr gut mit einer dreiteiligen Kunststoff-Sopranblockflöte eines namhaften Herstellers beginnen, oder auch mit jeder anderen dreiteiligen Holzblockflöte.
Man kann solange einwandfrei links darauf spielen, bis die Doppellöcher zum Einsatz kommen. Ich habe auch die erste Zeit des Linksspielens auf meinen normalen Blockflöten linksherum gespielt, dafür die Füße nach links gedreht und die Doppellöcher von oben gegriffen. Mit etwas Geschick kann man den verkehrt herum liegenden Doppellöcher auch cis/fis oder dis/gis entlocken. Als Übergangslösung ist das gut möglich.
Im Fachhandel gibt es momentan nur ein Schulblockflötenmodell eines Herstellers serienmäßig in Linkshänderausführung. Auf Anfrage bauen aber die meisten großen Hersteller alle Blockflötenmodelle ohne Klappen im Sopran-, Alt- und Tenorblockflötenbereich als Sonderanfertigung als Linkshänder-Instrument. Leider bedeutet das einen Aufpreis. Finanziell ist es zu bewältigen, denn die Blockflöte ist im Vergleich mit anderen Instrumenten relativ günstig.
Hier, sowie bei anderen Berufsgruppen, sind die Überlegungen für gleichteure, gleichberechtigte Gerätschaften für Linkshänder bzw. den finanziellen Ausgleich des Mehrpreises durch Stiftungen oder durch den Staat noch in den Kinderschuhen.
Bei kleinen Meisterwerkstätten findet noch mehr Handarbeit statt, so dass das Einbohren der untersten beiden Löcher auf der linken Seite ein nur geringer Zusatzaufwand ist. Meiner Nachfrage zufolge sind die meisten Blockflötenbauer dafür offen, auch Linksblockflöten herzustellen.
Braucht man ein größeres Instrument mit Klappen, kann ich auch hier nur ermutigen, einen Instrumentenmmacher dafür zu finden.
Meine Klarinetten wurden in komplett gespiegelter Bauweise mit voller Klappenausstattung angefertigt. Die Instrumentenmacher freuten sich sogar über die besondere Herausforderung, die sie großartig gemeistert haben.
Es gibt auch die Möglichkeit, normale rechtsseitige Blockflöten an den asymmetrischen Löchern umzubauen, so dass sie komplett linksseitig spielbar werden. Der Instrumentenmacher verschließt das alte Loch und bohrt an der gegenüber der Mittellinie liegenden Stelle ein neues Loch. Bei Doppellöchern verschließt man beide und bohrt sie seitenvertauscht in derselben Griffmulde neu (siehe Foto). Auch Klappen lassen sich zum Teil für die andere Seite anpassen (siehe Foto: Bassblockflöte umgebaut von Herrn Karl Danner).
Wie gehe ich am besten vor, wenn ich selbst oder ein Schüler auf das linkshändige Spiel umlernen möchte?
Falls ein Schüler oder auch man selbst feststellt, Linkshänder zu sein, und das Spiel auf der linken Seite für einen angenehmer, leichter, besser oder stimmiger ist, kann jeder jederzeit umlernen. Wichtig ist dabei, dass man sich ausreichend Zeit gibt und sich in keiner Weise unter Druck setzt, etwa in einer gewissen Zeit ein bestimmtes Niveau zu erreichen.
Je nachdem, wie lange und intensiv man auf der alten Seite gespielt hat, sind die alten Griffe mehr oder weniger intensiv abgespeichert. Ich hatte sehr lange und intensiv rechts gespielt. Das Spielen auf der neuen Seite funktionierte bei mir gleich sehr gut, und ich kam jedes Mal in einen Flow beim Spielen, wie ich ihn von der alten Seite beim Spielen allein nicht kannte.
Das Gehirn verarbeitet das Erlebte danach in den Ruhephasen. Hier brauchte ich immer wieder lange Ruhephasen. Zwischenzeitlicher Schwindel trat auch manchmal auf. Mein Gehirn brauchte einfach Zeit, die neuen Griffe und das neue Körpergefühl richtig einzuordnen und richtig in Bezug zu den gleichbleibenden Faktoren des Musizierens zu setzen. Auch psychisch muss man eventuell manch unangenehmes Erlebnis oder Gefühl in Bezug auf das Falschherum-Spielen verarbeiten.
Jeder Umlernprozess sollte indiviuell gestaltet und begleitet werden – je nachdem, wie alt der Entsprechende ist, wie lange er schon gespielt hat, wieviel Zeit er in seiner Freizeit hat, sich mit den Umstellungen zu beschäftigen. Der Umlernende spürt ziemlich gut, wieviel er an Neuem aufnehmen kann oder nicht. Bei mir waren manchmal Verarbeitungspausen von zwei Wochen nötig. Bei Kindern, die erst kurz gespielt haben, geht das Umlernen meistens leicht und schnell. Die meisten Erfahrungen hierzu gibt es an der Gitarre.
Sich mit anderen Linksspielern auszutauschen, die auch einen Umlernprozess durchlaufen haben oder aber immer schon linksspielen, ist ebenfalls sehr zu empfehlen.
Manche Linkshänder möchten auch nicht noch einmal die Seite wechseln und noch einmal etwas ändern. Die Entscheidung, wie herum man spielt, muss jeder selbst treffen. Ausprobieren und erklären sollten die Instrumentallehrer die nun bekannten Zusammenhänge mit der Händigkeit jedoch auf jeden Fall.
Das Umlernen auf der Blockflöte fiel mir insgesamt viel leichter als auf der Klarinette, und es fühlte sich auch viel schneller abgeschlossen an. Ich vermute hier mehrere Gründe:
1. Die Blockflöte hat einen kleineren Tonumfang als die Klarinette und dadurch weniger Tonkombinationsmöglichkeiten.
2. Die Blockflöte überbläst in die Oktave, das vereinfacht das Spiel. Die Klarinette überbläst in die Duodezime.
3. Bei der Blockflöte hat jeder Finger nur ein Loch zu bedienen. Bei der Klarinette gibt es neben den Löchern noch viele Klappen, die die Finger zusätzlich bedienen müssen.
4. Ich hatte länger, intensiver und bis auf ein höheres Niveau bei der Klarinette gespielt als auf der Blockflöte.
Fazit
Grundsätzlich möchte ich alle Instrumentallehrer anregen, sich mit den Bedingungen der Händigkeit an ihren Instrumenten zu beschäftigen.
Durch meine eigenen Erfahrungen und die Beobachtung meiner Schüler kann ich allen Linkshändern empfehlen, ihre Instrumente linksseitig zu spielen. Der größere Spaß und Erfolg machen die kleinere Auswahl an Instrumenten wett.
Man fühlt sich vielleicht im Moment noch als Sonderling, aber wenn man die Augen offenhält, entdeckt man überall Linksspieler. So ging es mir vor kurzem, als ich einen Schlagzeuger und einen Dudelsackspieler linksspielend im Konzert entdeckte.
Quellenverzeichnis und empfohlene Literatur (externe Links)
Arnoldussen, A. (2020). Händigkeit am Instrument – Wie machen Linkshänder Musik? Mainz: Schott Music GmbH & Co. KG.
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (DGAUM). (03.07.2020). S1-Leitlinie 002-017 „Händigkeit – Bedeutung und Untersuchung“.
Klöppel, S., Vongerichten, A., Van Eimeren, T., Frackowiak, R. S., & Siebner, H. R. (18.07.2007). Can Left-Handedness be Switched? Insights from an Early Switch of Handwriting. The Journal of Neuroscience, 27 (29): 7847–7853.
Mengler, W. (12/2004). Linkshändigkeit und Streichinstrumentenspiel. Das Orchester, 18–23.
Mengler, W. (2010). Musizieren mit links – Linkshändiges Instrumentalspiel in Theorie und Praxis. Mainz: Schott Music GmbH & Co. KG.
Renner, K. (11/2020). Verkehrte Flöten im Orchester? Das Orchester.
Sattler, J. B. (2024). Das linkshändige Kind in der Grundschule. Augsburg: Auer Verlag.
UKSH, U. S.-H. (11.10.2007). Link.
Vogel, C., L. e. (27.06.2024). linksgespielt.de.
Fotos: Alexander Englert, Ulla Georgi, Ulrike Scheuchl, Iris Steibelmüller
Originalartikel lesen, Windkanal 03/2024:
Ausführliche Interviews mit weiteren linksspielenden und umlernenden Musiker:innen diverser Instrumente gibt es hier.