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Facettenreicher Schlagzeug spielen mit links – Linkshänder Tom Stölzl über die Effekte seines Umlernens

Autorenbild: Erika UggowitzerErika Uggowitzer

Im Interview mit Erika Uggowitzer


„Jeder Musiker weiß, dass die einfachsten Dinge die schwierigsten sind und genau dabei fühlt man sich mit der dominanten Hand am wohlsten. Man hat das Timing, den musikalischen Bogen usw. „in der Hand“. Linksführend wird das Spiel dynamisch differenzierter und facettenreicher. Wenn man [für sich] richtigherum spielt, konzentriert man sich auf die Musik und viele andere Fragen stellen sich gar nicht mehr. Für mich ist es mittlerweile so, als wenn jemand zu mir sagen würde: „Du könntest ja auch mit dem Fuß schreiben!“ Ich würde erwidern: „Ja, das könnte ich schon, aber mit der Hand geht es leichter!“ Genauso empfinde ich es auf die Frage linksherum oder rechtsherum umgelegt.“

Linkshändiger Schlagzeuger Thomas Stölzl, schwarz-weiß-Porträt ohne Instrument


Wie beschreibst du deine Händigkeit?


Ich bin Linkshänder.



Hast du dein Instrument von Anfang an linksherum gelernt?


Nein, ich habe zuerst während meiner Volksschulzeit Geige rechtsherum gelernt und dann ab 11 Jahren Schlagzeug auch rechtsherum.

Mit etwa 20 Jahren bekam ich während meines Schlagzeugstudiums eine Nervenentzündung an beiden Händen. Ich hatte damals einen linkshändigen Schüler und stellte das Schlagzeug für ihn um. Ich spielte dann selbst linksführend auf diesem Schlagzeug – es kam mir etwas klobig vor, aber ich spürte gleich, dass es gut war – und innerhalb von etwa ein bis zwei Wochen war die Nervenentzündung abgeklungen. Von da an stellte ich mein Spiel komplett auf links um. Das Spielgefühl stellte sich als eindeutig besser heraus.


Beim Schlagzeug ist ja immer die Frage, ob man auch die Füße umstellt. Ich habe nach meiner Umstellung auf linksführend 17 Jahre lang die Bass-Drum links und das Hi-Hat rechts gespielt wie zum Beispiel auch Phil Collins. Dann fand ich allerdings heraus, dass für mich eigentlich das Hi-Hat führt und dass ich das besonders bei lateinamerikanischen Rhythmen, wie etwa beim Samba, nicht wirklich auf die Linksspielweise umlernen konnte. Deshalb stellte ich nach dieser langen Zeit wieder auf Bass-Drum rechts und Hi-Hat links um, die Hände behielt ich linksführend bei. Zum Beispiel Billy Cobham spielt so.


Es gibt ja Leute, die propagieren, dass es beim Schlagzeug keine Händigkeit gibt, man könne das immer auf beide Arten lernen. Für mich war es ganz eindeutig, dass das nicht stimmt, die Heilung der Nervenentzündung zeigte ja, dass es gesundheitlich einfach besser war. Außerdem erlebte ich ein ganz anderes Spielgefühl. Entgegen vieler Gegenmeinungen bin ich überzeugt, dass beim Schlagzeugspielen immer eine Hand die führende ist.


Ich habe bei vielen Schüler:innen beobachtet, dass sie den sogenannten Flam (oder Vorschlag) – egal, was und wie viel sie vorher auf rechts trainiert hatten – linksführend besser konnten, also Vorschlag rechts/Hauptschlag links. Es war so auffällig für mich, dass sie trotz teilweise jahrelangem rechtshändigem Training in diesem Fall die rechtshändige Spielweise nicht umsetzen konnten. Sie ordneten immer intuitiv die rechte Hand der linken unter, immer. Und das waren nicht wenige.

Ich begann, mich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen und sprach meine Schüler:innen auch darauf an, musste aber bald erkennen, dass das nicht immer der beste Weg war. Es kann sehr verunsichernd wirken, wenn es sich um jemanden handelt, der sich selbst für rechtshändig hält. Ich musste mir damals eingestehen, dass ich kein Therapeut war und es hier eine Grenze für mich als Pädagoge gab. Auch in Gesprächen mit Eltern konnte ich wenig bewirken. Daher ging ich dazu über, mich bei der Händigkeit meiner Schüler:innen an deren Selbsteinschätzung zu halten.


Ich begann irgendwann auch, autodidaktisch Gitarre zu spielen. Zuerst rechtsherum, dann aber doch linksherum.



Bitte erzähle uns mehr über deine Herangehensweise und deinen Umlernprozess.


Ich nahm mich erstmal raus, weil klar war, dass es eine gesundheitliche Komponente gab, und ich wollte durch das Spielen von Jobs nicht wieder eine Nervenentzündung riskieren. Ich hatte mich ja schon vorher eher zurückgezogen, weil ich wegen der Entzündung nicht spielen konnte, was ein großer Frust war. Nun war aber auf einmal eine Perspektive da, durch die linkshändige Spielweise dauerhaft gesund bleiben und spielen zu können.

Die Fortschritte waren für mich eindeutig und das Spielgefühl wie gesagt viel besser. Außerdem stellte ich fest, dass sich mein Spielstil veränderte – für mich eindeutig zum Positiven. Jede:r Musiker:in weiß, dass die einfachsten Dinge die schwierigsten sind und genau dabei fühlt man sich mit der dominanten Hand am wohlsten oder zumindest wohler als mit der nicht-dominanten. Man hat das Timing, den musikalischen Bogen usw. „in der Hand“. Virtuosität weicht oft einer schlichteren Spielweise. Die Dynamik wird differenzierter. Linkshändige, die in rechtshändiger Spielweise spielen, spielen meist entweder sehr laut oder sehr leise, das habe ich an mir selbst und an anderen beobachten können. Es geht dabei besonders um das Bewegen der Hand in der Luft, was für die nicht-dominante Hand viel schwieriger ist. Linksführend wird das Spiel viel facettenreicher.



War es für deinen ersten Lehrer am Schlagzeug ein Thema, dass du Linkshänder bist?


Nein, wir haben über meine Händigkeit gar nicht gesprochen. Ich erinnere mich, dass mich irgendwann ein Schulkollege darauf ansprach, warum ich nicht wie Phil Collins linksherum spielen würde. Ich reagierte damals fast allergisch und erklärte, dass es beim Schlagzeug völlig egal wäre, mit welcher Hand man was spielt. Heute weiß ich, dass das ein ähnlicher Abwehrmechanismus war, wie ihn umgeschulte Linkshändige entwickeln, wenn man sie auf ihre Schreibhand anspricht. Ich war ja – wie gesagt – immer Linkshänder, auch beim Fußballspielen Linksfüßer. Nur in der Musik wurde ich umgeschult.


Mit fünfzehn kam ich an die damalige Musikhochschule (heute Musikuni) und studierte parallel Jazz und Klassik. Mein Klassik-Lehrer sprach mich immer wieder auf meine Linkshändigkeit an, weil er sah, dass ich mit links schrieb. Er erklärte mir, dass es ein Links- und ein Rechts-System gäbe. Allerdings war ich damals nicht soweit, mich darauf einzulassen. Ich spielte damals viel auf der kleinen Trommel, wo es ja sehr einfach möglich ist, mit der linken statt mit der rechten Hand zu beginnen. Im Nachhinein finde ich das ziemlich cool, dass dieser Lehrer mich immer wieder animieren wollte, die linkshändige Spielweise anzuwenden. Leider hatte ich trotzdem immer im Kopf, dass ich als Schlagzeuger rechts führen müsse.



Ist es für Schlagzeuger wichtig, beide Spielweisen zu beherrschen?


Bis auf manche Fills am Set ist die dominante Hand immer die führende. Die Fertigkeit ist irgendwann schon in beiden Händen gegeben. Meine Beobachtung ist, dass, wenn man etwas mit der dominanten Hand lernt, die Übertragung im Gehirn auf die nicht-dominante Hand viel besser ist, als wenn man sich mit der nicht-dominanten Hand überfordert. Es entsteht dann ein Widerstand im Gehirn, es auf die dominante Hand zu übertragen. Das Gehirn weiß mehr als wir, es denkt sich: Warum machen wir es nicht gleich richtig? Auch im Sport fällt es leichter – etwa beim Fußball –, Gelerntes vom dominanten auf den nicht-dominanten Fuß zu übertragen, umgekehrt ist es wesentlich schwieriger.



Was waren für dich die größten Herausforderungen beim Umlernen?


Dass ich gewisse Projekte eine Zeit lang ruhen lassen musste. Ich musste meinen Stil vorerst vereinfachen – was im Grunde einen positiven Effekt mit sich brachte.


Das eigentliche Problem waren die Füße. Ich konnte manche Musikrichtungen mit der invertierten Spielweise nicht so gut spielen. Wie gesagt bin ich erst nach 17 Jahren darauf gekommen, dass das anders für mich besser ist.


Eine große Herausforderung waren die Mitmusiker:innen, die mich fragten, warum ich das mache, ich wäre doch immer ein guter Musiker gewesen. Sie zweifelten sehr an der Sinnhaftigkeit, da es ja so viele linkshändige Schlagzeuger gibt, die in der herkömmlichen Weise spielen.


Das Wieder-Halt-finden in den Bands, das Mich-selbst-wieder-finden, einen neuen Stil finden und sich wieder integrieren und wieder ernst genommen zu werden, das alles war schon ein Problem.



Hattest du dabei Unterstützung bzw. konntest dich mit anderen Linksspielenden oder Umlernenden austauschen? 


Linkshändig Spielende kannte ich nicht persönlich.

Ich hatte aber eine tolle Unterstützung durch meinen damaligen Lehrer Christian Mühlbacher. Es war ein oder zwei Jahre vor meiner Diplomprüfung, als ich umlernte und er ging supercool mit dem Thema um. Er ist selbst Linkshänder, spielt aber rechtsherum. Ich erklärte ihm, dass ich ein Jahr länger bis zur Prüfung brauchen werde, weil ich umlernen möchte. Er war dafür sehr offen, hat es sogar geschätzt.

Er trainierte selbst und mit seinen Schüler:innen viel auf beiden Seiten, wahrscheinlich weil er eben selbst Linkshänder ist. Das war für meinen Rückschulungsprozess genau das Richtige. Ich hätte es noch besser haben können, wenn ich damals schon erkannt hätte, dass ich das Schlagzeug nicht umzustellen brauche, sondern einfach linksgeführt gespielt hätte. Dafür wäre er sicher auch offen gewesen.



Das heißt, so spielst du auch jetzt: herkömmliche Aufstellung mit linksgeführter Spielweise?


Genau.



In welchem Kontext spielst du heute noch rechtsherum?


In keinem. Und ich möchte dazusagen, dass ich das als sehr luxuriösen Zustand empfinde. Das kommt daher, dass ich auch nicht mehr unterrichte (aus anderen Gründen). Irgendwann habe ich begonnen, es als totalen Luxus anzusehen, dass ich nur mehr so zum Instrument greife, wie es für mich passt.


Es gibt Situationen, in denen ich auf einer Gitarre etwas demonstrieren will und vor Ort nur ein konventionelles Instrument zur Verfügung steht. Dann überlege ich kurz, ob ich sie rechtsherum oder linksherum nehme. Ich habe ja jahrelang die Gitarre linksherum gespielt, indem ich sie einfach umgedreht habe, sodass also die tiefe Saite unten ist. Das mache ich noch manchmal im Notfall, aber ich merke, dass mein Hirn davon schon weit weg ist.



Spielst du noch andere Instrumente?


Ich habe lange E-Bass in diversen Bands gespielt, den spielte ich von Anfang an linksherum. Gitarre habe ich gelernt, weil ich begann, Songs zu schreiben. Ich hab nicht mehr genau in Erinnerung, warum ich sie zuerst rechtsherum gespielt habe. Als ich sie dann umdrehte, merkte ich gleich, dass es besser passt, wobei ich eine gewisse Enttäuschung darüber empfand, dass das Greifen mit der nicht-dominanten Hand auch eine Herausforderung ist. Auch da hat sich der Stil dann geändert. Ich war auch davor nicht virtuos – mir geht es nur um meine Lieder –, aber die Musik ist danach empfindsamer geworden. Ich spiele nun so, dass ich die rechte Hand eher entlaste, mehr Akkorde mit leeren Saiten verwende. Das Umlernen der Gitarre auf links ist keine 1:1-Umlegung. Wenn man als Linkshänder konventionell Gitarre spielt, ist irgendwo eine Dominanz in der Greifhand vorhanden, die, wenn man die Gitarre dann umdreht, nicht mehr vorhanden ist. Deshalb passt man das Spiel dann an die nun nicht-dominante Greifhand an.

Es wäre einfacher, mit der linken Hand zu greifen, aber der Rest passt nicht: die Akkordzerlegungen, das Anschlagen, das Spiel mit dem Plektrum empfinde ich mit der nicht-dominanten Hand als viel schwieriger.


Man muss sagen, dass ja viele Musiker:innen, obwohl sie linkshändig sind, mit der rechten Hand die Saiten anschlagen. Viele wissen ja gar nicht, dass sie linksdominant sind. Meiner Meinung nach ist die größte Gruppe der Linkshändigen die, die gar nichts von ihrer Linkshändigkeit weiß. Sie halten sich für Rechtshänder:innen und agieren rechtshändig. Man kann das auch bei Musizierenden beobachten.


Viele „rechtshändige“ Gitarrist:innen sagen, dass die Greifhand führt, was sehr interessant ist.


Am Klavier empfinde ich sehr stark, dass bei manchen Komponisten – zum Beispiel Mozart und Beethoven – ganz viel Arbeit in der linken Hand stattfindet. Die Kompositionen sind oft sehr links-, also basslastig. Das lässt sich dann nicht mehr ganz so umsetzen, wenn man auf eine Linkstastatur wechselt. Ich habe ein digitales Linksklavier. Vom Spielgefühl war es auch da aber völlig eindeutig, dass es besser ist.

Der Pianist und Pädagoge Leopold Godowsky sagte Anfang des 20. Jahrhunderts, dass er bei einer Vielzahl seiner Schüler:innen festgestellt habe, dass die linke Hand eigentlich besser für das Klavierspiel geeignet sei, weil sie sanfter agiere, besser auf Melodien eingehe, besser Klang gestalten könne. Das sehe ich auch so. Die Frage ist, was macht man mit der rechten Hand? Ich finde, die Musik ändert sich auch hier, wenn man auf das Linksklavier umlernt.

Ich verwende gerne den Begriff „fehlseitig“ für ein nicht der Händigkeit entsprechendes Agieren. Wenn man fehlseitig Klavier spielt, bekommt meiner Meinung nach die Begleithand zu viel Gewicht, was musikalisch meist nicht erwünscht ist. In der Beethoven-Biografie von Claus Canisius wird erwähnt, dass Zeitgenossen erzählt haben, dass immer wenn Beethoven in Spielfluss kam, die linke Hand übermäßig laut wurde. Ich glaube, dass das auch etwas über seine Händigkeit aussagt. Ebenso wie seine Taubheit, die auf dem rechten Ohr begann.


Ich hatte einmal eine Schülerin, die Boogie spielen wollte. Die Begleitung zu trainieren, ist für eine Rechtshänderin sehr anstrengend. Sie meinte dann, dass ihr immer wenn sie den Boogie übt, das linke Ohr weh tue. Da fiel mir Beethoven und seine Taubheit am rechten Ohr ein.



Inwiefern fühlen sich die beiden Spielrichtungen unterschiedlich an?


Wenn ich links spiele, fühlt sich das natürlich an. Da ich beim Schreiben und im Sport ja nie umgeschult wurde, fühle ich beim Musizieren nach der Rückschulung das, was ich bei den anderen Tätigkeiten schon immer gefühlt habe, nämlich eine vergleichsweise angenehme Unaufgeregtheit.


Mir kommt es so vor, als ob alles viel zu sehr behirnt wird, wenn man als Linkshänder rechtsherum spielt. Mittlerweile empfinde ich es fast als bedrohlich, weil ich den Unterschied so gut kenne. Man hat einen übertriebenen Übeaufwand, den ich jetzt als sehr einschränkend empfinden würde. Es entschärft sich vieles, wenn man richtigherum spielt: weniger Aufwand, man weiß, was man kann, es ist auf einem anderen Level der Entspanntheit, man merkt sich Sachen besser. Die Musik wird aus meiner Sicht klarer und besser, was noch einmal den Übeaufwand entschärft.

Wenn man fehlseitig spielt, beginnt irgendwie doch die dominante Hand zu führen. Sie will die andere Hand überholen, was sich negativ auf das Timing auswirkt. Man muss sich unter Umständen künstlich runterbremsen, damit man nicht schneller wird.



Ist das Linksspielen Teil deiner musikalischen Identität?


Ja, natürlich. Ich würde sogar sagen, es ist Teil meiner musikalischen Normalität, weil es zu einer Selbstverständlichkeit wird. Wenn man richtigherum spielt, konzentriert man sich auf die Musik und viele andere Fragen stellen sich gar nicht mehr.


Nach den vielen Jahren meiner Erfahrung, würde ich sagen: das Ganze ist einfach eine längst überfällige Richtigstellung. Es läuft etwas falsch, das endlich richtiggestellt wird.

Jede:r kann für sich selbst entscheiden, ob man sich darauf einlässt oder nicht – ABER es gibt eine pädagogische Verantwortung: Wenn wir Kindern Rechtshänderinstrumente geben, ist das auch etwas, was wir vorgeben. Wir müssen das Thema sehr ernst nehmen und auch das Andere zulassen. Es gibt genügend Hinweise auf gesundheitliche Probleme, die nicht kommen müssen, aber können. Das Wohlbefinden der Linksspielenden ist eindeutig. Wer es einmal erlebt hat, für den gibt es kein Zurück mehr. Wofür auch? Für die Gesellschaft? – Nein! Die Gesellschaft muss sich ändern.



Woher hast du deine linken Instrumente?


Beim Schlagzeug ist das ja zum Glück kein Thema. Den E-Bass bekam ich durch ein Tauschgeschäft mit einem linkshändigen Gitarristen.


Es ist leider noch immer so, dass es Gitarrengeschäfte gibt, die kein einziges Linkshänderinstrument im Sortiment haben und wo man dann auch noch den Tipp bekommt, doch lieber rechtsherum zu spielen, das Greifen sei ohnehin wichtiger.

Ich habe mir daher eine 5-saitige E-Gitarre und eine 6-saitige Westerngitarre von einem tollen Gitarrenbauer – Daniel Furian – bauen lassen. Es ist leider eben nach wie vor im Gitarrenbereich nicht einfach, selbst in Wien, in Geschäften gute Linksgitarren zu finden. Auch im Internet findet man nur wenige Instrumente in der gleichen Qualität wie bei der herkömmlichen Bauweise.


Was das Klavier betrifft: ich habe ein Digitalpiano und einen Keyboard-Mirror von Christopher Seed.



Gab es schonmal negative Erfahrungen, Vorbehalte, Probleme durch das Linksspielen?


Als ich noch unterrichtete, sprach ich anfangs Eltern darauf an, wenn ich bei einem Schüler Linkshändigkeit vermutete. Manche signalisierten Offenheit, die dann doch keine war. Außerdem habe ich erkennen müssen, dass die Selbsteinschätzung des Schülers zu respektieren ist. Es geht hier um Identität und damit gilt es vorsichtig umzugehen.


Der Vater eines Schülers sagte einmal zu mir: „Ja, Sie haben recht: in meiner Familie hat es immer eine Tendenz nach links gegeben, aber es ist nie zu einer Linkhändigkeit gekommen.“ Da wurde mir klar, dass Vorurteile bezüglich Linkshändigkeit bei einigen Menschen noch immer sehr verwurzelt sind.


In den 1990er-Jahren konfrontierte ich ein paar Wiener Zeitungen mit dem Thema. Daraufhin wurde in einem Artikel eine Volksschullehrerin zitiert, die meinte, dass „Linkshänder das Klassenbild stören“!

Ich selbst wurde 1975 eingeschult und hatte das Glück, dass niemand während meiner gesamten Schulzeit je ein Problem mit meiner Linkshändigkeit hatte.


Mit Tontechnikern hatte ich auch das eine oder andere negative Erlebnis, weil sie genervt waren, wegen eines Linkhänders etwas umbauen zu müssen.


Wie schon erwähnt, hätten mich Bandkollegen anfangs gerne wieder zurück zur alten Spielweise gebracht.

Und manchmal wird man bemitleidet, weil man Schwierigkeiten hat, Instrumente zu finden. Das klingt dann eher so, als würde der- oder diejenige für sich selbst bestätigen, dass es besser ist rechtsherum zu spielen. Manche sagen so Dinge wie: „Es ist schon blöd, wenn man Linkshänder ist, oder?“ – und sind dann erstaunt, wenn man die Frage verneint.


Ansonsten hat es keine gravierenden Reaktionen auf meine Spielweise gegeben.



Hast du sonst noch Erfahrungen beim Unterrichten?


Ich hatte einen Schüler, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Als ich vorsichtig das Thema Linkshändigkeit ansprach, erzählte er mir, dass sein Vater ihm zu Hause das Schlagzeug ohnehin schon andersherum aufgebaut hatte. Er war bis dahin sehr vorsichtig in seinem Spiel gewesen und stellte sich nun als extrem begabt heraus. Er entwickelte eine besonders angenehme Dynamik und ging hervorragend auf die jeweilige musikalische Situation ein. Sicher spielte auch das Talent eine Rolle, aber man merkte einfach, dass er sich ab dem Zeitpunkt, wo er auch im Unterricht linksspielen konnte, extrem gut entwickelte. Das war eine große Überraschung für mich, weil ich ihn durch sein anfangs vorsichtiges Spiel ganz anders eingeschätzt hatte.

Umgekehrt war es bei mutmaßlich fehlseitig spielenden Schülern meist so, dass ich immer wieder auf die erforderliche Dynamik aufmerksam machen musste. Da sie aber in ihrer Motorik verhaftet bleiben, ist es nötig, sie immer wieder zu erinnern. Durch den sogenannten Siebeffekt des Gedächtnisses passiert es, wenn man als Lehrer:in meint, dass etwas schon klar ist und man zum nächsten Thema übergehen könnte, das Vorangegangene wieder wegbricht.


Den Punkt, inwieweit man das als Lehrer:in anspricht, wenn man den Verdacht hat, dass ein Kind eigentlich linkshändig ist, empfinde ich – wie schon erwähnt – als sehr heikel.

Man muss sich gut überlegen, ob man die Identität der Person antasten will oder soll.

Wie, in welchem Moment und ob man das Thema überhaupt anspricht oder ob man es vielleicht einem Elternteil sagt. Es kann für Betroffene sehr verunsichernd sein.

Ich finde, das ist eine wirklich schwierige Frage. Manche Kinder wollen einfach nicht umlernen, das ist dann auch zu respektieren.



Welche kuriosen Erlebnisse hattest du schon mit deiner Spielweise?


In der Zeit, als ich das Schlagzeug noch umgebaut habe, hatte ich einmal einen Auftritt, bei dem verschiedene Bands spielten. Es standen zwei Schlagzeuge auf der Bühne, eines für links und eines für rechts. Das für links gehörte einem recht bekannten Schlagzeuger, der mit seiner Band der Hauptact des Abends war, das andere dem Musiker einer Altherrenband. Es war ausgemacht, dass ich nicht mein eigenes Schlagzeug mitbringe, da ohnehin schon zwei vorhanden waren.

Ich sagte dem „Star“-Schlagzeuger, dass ich auch linksspielte wie er, und fragte, ob ich sein Schlagzeug benutzen dürfe. Er verneinte, worauf der sehr nette rechtshändige Schlagzeuger sofort anbot, sein Schlagzeug für meinen Auftritt umzubauen, was wir dann auch gemacht haben.



Siehst du Vorteile darin, linksherum zu spielen?


Ja, nur. Für mich ist es mittlerweile so, als wenn jemand zu mir sagen würde: „Du könntest ja auch mit dem Fuß schreiben!“ Ich würde erwidern: „Ja, das könnte ich schon, aber mit der Hand geht es leichter!“ Genauso empfinde ich es auf die Frage linksherum oder rechtsherum umgelegt.


Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich der Meinung bin, dass bei seriöser Betrachtung aller mir vorliegenden Forschungsergebnisse nur der Schluss zulässig ist, dass es ungefähr gleich viele Linkshänder:innen wie Rechtshänder:innen auf dieser Welt gibt. Die Händigkeit ist von Geburt an festgelegt und es gibt mit Ausnahme einiger Krankheitsbilder keine Beidhändigkeit, also keine Menschen ohne von Geburt an festgelegter Händigkeit. Ich habe mich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt, bin kein beruflicher Wissenschaftler, sondern Künstler und nehme mir als solcher die Freiheit heraus, jede davon deutlich abweichende Aussage über die angeborene Verteilung der Händigkeit beim Menschen als unseriös zu betrachten, weil alle relevanten Forschungsergebnisse, die mir bekannt sind, eine einheitliche Sprache sprechen.

Der Musik kommt hierbei eine Sonderstellung zu. Hier ist der Anteil der Linkshänder:innen deutlich höher als in anderen Berufsgruppen. In der Gesamtheit aller Berufe gleicht sich das dann wieder aus.






 
 



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