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AutorenbildLinksgespielt

»Ich wusste, dass rechtshändig spielen nur die zweitbeste Lösung war« – Sabine Zeis über die Stimmigkeit, die Geige mit links zu streichen

»Auch wenn ich der Rechtshänder-Geige leichte Melodien entlocken konnte: Ich hatte bei diesem Instrument noch viel mehr als bei den anderen das Gefühl, dass ich im Grunde verkehrtherum spielte. Ich konnte zu dem Instrument nicht wirklich Verbindung aufnehmen.«


Sabine Zeis mit ihrer Linkshändergeige

Wie beschreibst du deine Händigkeit?


Ich bin durch und durch Linkshänderin, wurde als Kind jedoch zum Schreiben mit rechts »umerzogen«.



Hast du deine Instrumente von Anfang an linkshändig gespielt?


Nein. Seit meinem 14. Lebensjahr spiele ich Gitarre, später auch Cister, Banjo, Mandoline... alle Instrumente rechtsherum. Ich habe mir – als brav Umerzogene – nichts Böses dabei gedacht, habe es einfach so gemacht, wie die anderen in meinem musikalischen Umfeld.



Welche Probleme und Schwierigkeiten hast/hattest du beim rechtshändigen Musizieren? Inwiefern fühlen sich die beiden Spielrichtungen unterschiedlich an?


Als ich etwa 18, 19 war, verspürte ich zunehmend das Gefühl, dass ich an Grenzen stieß, die durch meine rechte Hand verursacht wurden. Ich verkantete, war verspannt, verhakte im Rhythmus oder bei schnelleren Läufen. Kurzentschlossen spannte ich die Gitarre, später das Banjo, um und fing an, linksherum zu spielen: Es fühlte sich VIEL besser an, viel stimmiger! Nur leider bedeutete das auch, quasi bei Null wieder anzufangen. Die Geläufigkeit, die Schnelligkeit war weg, ich konnte erstmal nicht mehr mit den anderen zusammenspielen. Ziemlich frustriert habe ich deshalb die Saiten einige Zeit später wieder rechtsherum gespannt, obwohl ich ziemlich sicher war, dass das eigentlich nicht der richtige Weg und nur die zweitbeste Lösung war.


Ich habe auch in jungen Jahren schon immer eine Geige bei mir stehen gehabt, ein altes Familien-Erbstück. Auch diese habe ich ein wenig versucht, zu spielen. Rechtsherum. Aber auch wenn ich ihr leichte Melodien entlocken konnte: Ich hatte bei diesem Instrument noch viel mehr als bei den anderen das Gefühl, dass ich im Grunde verkehrtherum spielte. Ich konnte zu dem Instrument nicht wirklich Verbindung aufnehmen.


Erst 2009 habe ich die Geige wieder hervorgeholt und sie einfach umgespannt; d. h., nur die Saiten und einen anderen Steg gespiegelt montiert. Es funktionierte! Und es fühlte sich vom ersten Moment an stimmig an! Ich fing an, zu dem Instrument Verbindung aufzunehmen, und ich hatte endlich das entspannte und sichere Gefühl, dass die Bogenhand (meine linke Hand!) die Musik macht, die Greifhand eigentlich nur zuarbeitet. Seitdem spiele ich Geige und genieße es jeden Tag.



Woher hattest du deine linken Instrumente?


Ich habe mittlerweile drei unterschiedliche Geigen, mit drei unterschiedlichen Umbaustufen Richtung Linkshändigkeit. Die erste habe ich oben beschrieben.


Die zweite ist ein Neubau: Da der Klang bei der ersten nicht optimal war, habe ich nach einigen Jahren meine Geigenbauerin gefragt, ob sie mir eine richtige linkshändige Geige bauen oder bauen lassen kann. Das hat tatsächlich geklappt und ich habe ein wunderschönes neues Instrument bekommen, einen Guarneri/Heifetz-Nachbau, komplett gespiegelt. Schöner voller Klang, die spiele ich jetzt hauptsächlich.


Die dritte ist historisch: Ich habe vor einiger Zeit eine sehr sehr alte Geige mit Restaurierungsbedarf geschenkt bekommen, ein hochgewölbtes Stainer-Modell mit schmaler Taille, Wirbelkasten/Hals angeschäftet. Sie musste für verschiedene Reparaturarbeiten ohnehin geöffnet werden und ist nun (bis auf die Wirbel) auch linkshändig eingerichtet. Zauberhafter Klang, etwas zarter als die neue Guarneri, sie lässt sich auch sehr gut linkshändig spielen.



Was sind deine Erfahrungen bezüglich der linken Spielweise in Orchestern oder Ensembles?


Meine Erfahrungen sind durchweg positiv. Das liegt aber wohl auch daran, dass ich ein Folkie bin. In Folkorchestern und -ensembles sind mir diese seltsamen Orchesterdisziplin-Diskussionen noch nie begegnet. Unter anderem spiele ich skandinavische Folk- und Tanzmusik in der Gruppe Akkerboom Spelmanslag.



Welche Erfahrungen hast du im Unterricht bzw. bei der Lehrersuche gemacht?


Ich hatte nie klassischen Unterricht. Hier habe ich tatsächlich einmal einen Korb bekommen, als ich nach Linkshänder-Unterricht fragte.


Ich bin allerdings jedes Jahr auf mehreren Workshops, Fortbildungen und Fiddlecamps und genieße das sehr. Ich spiele und lerne ohnehin am liebsten nach Gehör.



Welche kuriosen Erlebnisse hattest du schon mit deiner Spielweise?


Ich werde öfter bei Konzerten oder Sessions von Leuten angesprochen, denen das linkshändige Spielen auffällt. Aber es sind immer positive und interessierte Nachfragen, manchmal auch aus persönlicher Betroffenheit.


Kurios wird es gelegentlich, wenn ich auch die Gitarre oder das Banjo dabei habe, weil ich die nach wie vor rechtsherum spiele. Also wenn ich bei einem Stück linkshändig Geige spiele und beim nächsten Stück rechtshändig Gitarre...



Siehst du Vorteile darin, ›andersherum‹ zu spielen?


Ja, auf jeden Fall. Es fühlt sich für mich einfach richtig an.



Foto: privat




 

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