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AutorenbildSabine Schmidt

„Endlich spiele ich mit dem Herzen“ – Cello umgelernt als Erwachsene nach eineinhalb Jahren

„Alles fiel mir leichter – und das Gefühl! Es ist kaum zu beschreiben, aber jetzt konnte ich anfangen, mit dem Herz zu spielen statt nur mit dem Kopf.“


Sabine Schmidt

Nie wieder falschherum spielen


Ich heiße Sabine Schmidt und habe vor 9 Jahren in meiner Freizeit angefangen, Cello zu spielen. Als Kind und Jugendliche hatte ich Klavier gelernt.

Mein zu der Zeit schon 80-jähriger Cellolehrer schlug mir nach eineinhalb Jahren Unterricht vor, es mal linksherum zu probieren, denn er wusste, dass ich Linkshänderin bin. Er hatte bei einem Bratschen-Schüler damit Erfolg gehabt. Das war mein großes Glück!



Erstes Ausprobieren auf einem umgespannten Cello


Ich hatte mich ein dreiviertel Jahr allein damit abgemüht, den Bogen rechts zu halten, ohne die Hand zu verkrampfen. Wir spannten zunächst das Rechtshändercello um, sodass ich es links ausprobieren konnte. Das arme Cello, es klang fürchterlich. Aber schon nach ein-/zweimal spielen wollte ich nie wieder „falschrum“ spielen – die Bewegungen fielen mir leichter, alles kam in einen Fluss, der vorher fehlte und mühsam erarbeitet werden musste.



Ein Linkshändercello suchen


Die Suche nach einem Linkshändercello war weniger aussichtslos als ich dachte und ich fand schließlich einen „Ladenhüter“ – ein Geigenbauer aus Erlangen hatte Jahre zuvor einzelne Linkshänderinstrumente gebaut und nicht so gut verkauft. So kam ich zu meinem wunderschönen, honigfarbenen Linkshändercello mit für mich vollem, warmem Klang – und auch noch handgefertigt in Deutschland, das war eine große Freude.



Es macht so viel mehr Spaß!


Innerhalb von circa 8 Wochen war ich technisch auf dem Stand von eineinhalb Jahren rechtsherum spielen. Alles fiel mir leichter – und das Gefühl! Es ist kaum zu beschreiben, aber jetzt konnte ich anfangen, mit dem Herz zu spielen statt nur mit dem Kopf. Ein Streichinstrument zu erlernen ist natürlich trotzdem herausfordernd und sehr viel Arbeit. Aber es strengte mich weniger an, Stücken einen Klang zu geben, sodass es viel mehr Spaß machte und ich die Musik mehr genießen kann. Ich bin leidenschaftliche Linksspielerin geworden und werde nie mehr etwas falschrum spielen.



Was andere dazu sagen


Bevor ich umgestiegen bin, habe ich im Internet recherchiert, was andere zum Umsteigen sagen. Die Meinungen dort waren einhellig, dass man linksherum in kein Orchester aufgenommen, es sich vom Spielen her aber lohnen würde. Mit 44 hatte ich nicht das Gefühl, jemals ein Niveau zu erreichen, um in einem Orchester mitspielen zu können, also fand ich das nicht schlimm. Inzwischen stellt sich heraus, dass es auch gar nicht stimmt, Orchester sind da heute viel offener als man suggeriert bekommt.


Meine neue Lehrerin, zu der ich dieses Jahr gewechselt bin, eine professionelle Cellistin, war zunächst verdutzt, sie hatte noch nie eine Linkshänderschülerin. Aber für den Unterricht ist es sogar ganz praktisch beim Gegenübersitzen. In den kleinen Freizeitensembles, in denen ich bisher spielte, war die Linkshändigkeit überhaupt kein Thema und in einem etwas größeren Ensemble, in dem ich ab diesem Jahr mitspielen werde, ebenfalls nicht. Als ich bei Linksgespielt gelesen habe, dass auch manche Orchester sich öffnen, hat mich das sehr froh gestimmt, denn ich glaube wirklich, dass sich damit Talente entwickeln können, die es rechtsrum nicht schaffen oder nicht zu ihren vollen Fähigkeiten gelangen würden.



Rück- und Ausblick


Im Nachhinein bin ich etwas traurig, dass, als ich Kind war, niemand auch nur daran dachte, auch Klavier auf Linkshänderinstrumenten zu spielen. Das Klavier ist ein einzigartiges Instrument, ich habe viel gelernt und bin sehr froh, dass ich es auf gutem Laienniveau spielen kann, aber schließlich fehlt die letzte Freiheit, in ein Stück einzutauchen. Auch hier muss ich extrem mit dem Kopf arbeiten. Auswendig lernen oder frei spielen fiel mir immer sehr schwer. Auf dem Cello ist das schon deswegen leichter, weil man nicht immer gleich mehrere Töne oder Tonfolgen auf einmal spielt, aber die Seitenrichtigkeit tut ihr übriges, glaube ich.


Ich wünsche mir, dass Links- wie Rechtshänder*innen schon heute und erst recht in Zukunft selbst entscheiden können, welches Instrument sie wie spielen möchten. Und, dass die Behauptung einiger, das würde keinen Unterschied machen, aus der Welt verschwindet. Wer das vertritt, soll gerne versuchen, mit seiner „schwachen“ Hand genauso schön und schnell schreiben zu lernen wie mit der starken! Ich habe das trotz beharrlicher Versuche als Kind – ich hatte Probleme mit dem Verschmieren der Tinte mit links – nicht geschafft (und bin daher beim Linksschreiben geblieben).



Sabine Schmidt am Cello


 

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Fotos: Alexander Englert


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