Bericht zum Workshop „Invertierte Instrumente“ bei der Musikfachtagung 2025
von Laila Kirchner und Ulrike Scheuchl
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
Am Samstag den 11.01.2025 hielten wir im Rahmen der 30. Musikfachtagung in der Freien Waldorfschule Ismaning den Workshop „Invertierte Instrumente“. Dafür hatten wir ein Vielzahl an Linkshänder-Instrumenten mitgebracht. Begonnen mit Sopran- und Altblockflöten, Silber- und Bambus-Querflöten, Klarinette sowie den pentatonischen Flöten der Firma Choroi, welche spezifische Waldorf-Instrumente für den Unterricht in den ersten Schuljahren sind. Die Saiteninstrumente waren durch eine Violine, ein Cello, zwei Gitarren und eine Sopranleier der Firma Choroi vertreten. Ein Schlagzeug wurde mit Matten angedeutet und auch ein Stage-Piano der Firma Blüthner mit gespiegelter Tastatur war bereitgestellt. Eine seltene Gelegenheit, so viele invertierte Instrumente auf einem Fleck ausprobieren zu können!
Da der Kurs in der Mittagspause stattfand, kamen die Teilnehmer:innen nacheinander hinzu, weshalb wir ihnen rieten, einfach die Instrumente reihum zu nehmen, zu spielen und sich auf einem vorbereiteten Zettel dazu Notizen zu machen.
Es nahmen zwei Linkshänderinnen und sechs Rechtshänder:innen teil. Manche zielgerichtet, andere zaghaft griffen sie zu den Instrumenten und entlockten ihnen teils mit kurzer Erklärung unsererseits, teils ganz alleine Töne, Akkorde, Melodien oder gar ganze Stücke. Jeder war mit unterschiedlichen Instrumenten vertrauter und spielte andere zum ersten Mal. Es ergaben sich bereits hierbei lebhafte Gespräche und der Raum war erfüllt von Klängen, erstaunten Äußerungen und Entdeckerfreude.
In der anschließenden Reflektionsrunde teilte jeder kurz seine Erfahrungen und Eindrücke mit. Dabei wurde deutlich, dass die Rechtshänder:innen bei vertrauten Instrumenten zwar teilweise einigermaßen zurechtkamen – insbesondere an der Sopranleier und den Flöten, weniger aber an der Gitarre und am Klavier. Sie konnten jedoch gut nachvollziehen, dass es linksherum für sie sehr mühsam und die Aufgabenverteilung der Hände ineffizient ist. Viele konnten konventionell Gitarre spielen und einer fasste zusammen, dass es sich für ihn nur stimmig anfühlt, wenn die dominante Hand nahe am Körper zupft und die andere sich weiter entfernt und dort greift.
Die zwei Linkshänderinnen kamen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen und waren sehr aufgeschlossen. Während eine fast alle Instrumente systematisch durchprobierte, beschäftigte sich die andere besonders interessiert mit ihrem Hauptinstrument, der Leier, und dem Schlagzeug. Erstere kam mit den Linkhänderinstrumenten gut zurecht und konnte beispielsweise auf ihrem Hauptinstrument Geige linksherum direkt ein Stück spielen – sie hatte wohl schon einmal eine umgespannt – sagte aber, dass es für sie gut gehe, auf beiden Seiten zu spielen.
Letztere bemerkte nach meinem Hinweis, dass es mir an der Sopranleier viel leichter falle, die Saiten zu treffen und zu zupfen, dass sie genau damit immer Schwierigkeiten habe, und es ihr schwerfalle am bisherigen Instrument in herkömmlicher Bauweise die Töne zu treffen und sich zu merken. Sie spielte längere Zeit in Ruhe und vertieft auf der linksseitigen Leier und bemerkte, wie dadurch eine gewisse Sicherheit und Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Instrument entstand, die sie so bisher nicht kannte. Sie war im Anschluss sehr motiviert, sich ein Linkshänderinstrument zu besorgen.
Auch beim Linkshänder-Schlagzeug zeigte sie großes Interesse und Verständnis dafür, dass die betonten Schläge und Taktzeiten eben mit der linken, dominanten Hand präzise und gefühlvoll gespielt werden. Dies weckte in ihr sofort Assoziationen zu einem linkshändigen Schüler aus ihrer Klasse, der mit der Koordination und dem Zeitgefühl sowie der Lautstärke Probleme hat, sich einzufügen und einzufühlen.

Jeder von ihnen hatte ein Anliegen, den Kurs zu besuchen. Teils, weil sie linkshändige Schüler:innen haben und unsicher waren, wie sie diese unterrichten sollten, teils der eigenen Kinder wegen. Einige unterrichteten linkshändige Schüler:innen bereits invertiert. Die Musik-Dozentin an der Alanus Hochschule, Frau Konstanze Schuberth, berichtete, dass sie in den sozialpädagogischen Kursen sehr viele Linkshänder:innen unterrichtet. Unter Anleitung eines externen Instrumentenbauers baue sie mit den Studierenden Kinderharfen und möchte, dass die Linkshändigen entsprechend invertierte Instrumente bauen. Sie berichtete uns sehr intensiv von ihrer Erfahrung an den soeben probierten Linkshänder-Instrumenten. Dass sie spürte, wie tief in den körperlichen, persönlichen, bis hinein in den seelischen Bereich die Irritation geht, bzw. die Stimmigkeit, wenn das Musizieren körperlich richtig oder aber falsch herum ausgeführt wird.
Die Kinderharfen waren uns ein besonderes Anliegen, da sie mit einer Hand gezupft werden und es lange üblich war, linkshändige Kinder, die sie intuitiv mit links zupften nach rechts hin zu korrigieren. Aber in dieser Runde und weiteren Gesprächen auch mit der koordinierenden Musiklehrerin der veranstaltenden Schule wurde deutlich, dass linkshändige Kinder heute nicht mehr überall korrigiert werden, sondern die Instrumente, wenn keine invertierten vorhanden sind, einfach andersherum halten – oder dass sie von allen Kindern vor ihnen liegend mit beiden Händen gespielt werden können.
Frau Theresa Danders, Geschäftsführerin der Choroi Vertriebs GmbH und Vorsitzende der Choroi Association, die den Kontakt zum Planungskomitee der Tagung hergestellt hatte, nahm ebenfalls an unserem Workshop teil. Sie erklärte nochmals, dass alle Instrumente ihrer Firma, mit Ausnahme der Kinderharfen in invertierter Bauweise gefertigt werden können. Letztere werden von Menschen in Rollstühlen mit Schwerst- bzw. Mehrfachbehinderungen mit Hilfe sehr alter Fräsen gefertigt, wobei eine Spiegelung unmöglich ist. Eine Werkstatt in Stuttgart stellt jedoch die Produktion gerade auf CNC-Fräsen um. Sobald diese etabliert sind, kann eine Spiegelung angeboten werden. Grundsätzlich ist sie sehr offen für den Bau und Vertrieb von Linkshänderinstrumenten.
In einem kurzen Vortrag erläuterte Laila Kirchner die Grundlagen der motorischen Dominanz, sowie die Relevanz der Händigkeit beim Spiel von Musikinstrumenten und Ideen für den Umgang damit in der Pädagogik.
Abschließend trugen wir die Komposition „Exchange“ von Laila Kirchner auf Klarinette und Violoncello vor.
Wir bedanken uns bei den Teilnehmer:innen für den spannenden Austausch und die weiterführenden Informationen und werden nun im Anschluss an verschiedene Instrumentenbauer für Kinderharfen herantreten, um zu ermitteln, wer von ihnen bereits invertierte Instrumente baut, wie viele davon verkauft werden und um zum weiteren Bau anzuregen.
Linkshänder-Leiern und -Kinderharfen werden auf Bestellung von der Firma Saiteninstrumente Salem gefertigt. Der Preis ist aufgrund des größeren Arbeitszeitaufwand durch die kleine Stückzahl um 25 % höher als für die Rechtshänder-Instrumente.
Linkshändige Flöten und Leiern bietet die Firma Choroi.

Fotos: U. Scheuchl